Lächeln und freundlich sein: der Niederländer Thierry Baudet.

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Lächeln und freundlich sein: der Italiener Luigi Di Maio.

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Als Anfang März die Fünf-Sterne-Bewegung in Italien mit mehr als 32 Prozent aller Stimmen die Wahl gewann, erlebten wir neuerlich eine Bestätigung dafür, dass sich die politische Landschaft Europas radikal verändert. Flotte Jungs besteigen mit Souplesse und Leichtigkeit die Bühne der Macht, indem sie sich der populärsten Argumente bedienen, seien sie rechts oder links. Sie sprechen die Sprache der digitalen Medien fließend, und sie sind auch sonst vor allem geschmeidig: Junge Männer, die bei den einen Muttergefühle auslösen, auf die anderen sexy wirken, aber niemals als Konkurrenten wahrgenommen werden. Rechte Hardliner erreichen ihren elektoralen Deckel, sie provozieren und polarisieren und stinken gegen die Eleganz der Jungen einfach ab.

Der Spitzenkandidat der Fünf-Sterne-Bewegung, Luigi Di Maio, hatte Schwierigkeiten, aus dem Schatten des Parteivorsitzenden Beppe Grillo herauszutreten. Aber er begann, seinen Kurs zu fahren: So relativierte er das starke anti-europäische Element, das seiner Partei zugrunde lag; vor allem war es jedoch sein freundliches, positives Auftreten, das einen scharfen Kontrast zur Aggression, die Grillo zur Schau stellte, bildete. Es ist der Kurs einer gewissen Milde oder Mäßigung, der es ihm ermöglichte, einen epochalen Sieg für seine Bewegung zu landen.

Nennen wir es Populismus light. Luigi Di Maio ist 1986 geboren, das macht ihn zu einem Vertreter der sogenannten Y-Generation. Was die Y-Generation ausmacht, ist gut erforscht und vielfach beschrieben: Die Y-Generation ist die erste Generation, die mit Internet und mobiler Kommunikation – und das bedeutet mit Werbung und Marketing rund um die Uhr – aufgewachsen ist. Deren Vertreter haben in jungen Jahren den Terroranschlag auf die Twin Towers in New York und andere globale Krisen miterlebt und seien daher relativ resistent gegenüber Gefühlen von Unsicherheit; sie seien außerdem Meister im Improvisieren, da es in einer zunehmend als chaotisch erlebten Welt immer schwerer wird, zu planen.

Wie simplifizierend diese Zuschreibungen daherkommen: Sie beruhen auf wissenschaftlichen Erkenntnissen. Di Maio steht nicht allein, man könnte eine Reihe anderer politischer Protagonisten der Y-Generation aufzählen, die gerade Furore machen. Das für Österreich relevanteste Beispiel ist wohl Sebastian Kurz.

Er hat die ÖVP total umgekrempelt und ist so Bundeskanzler geworden. Er führt seine Regierung und noch mehr seine Partei wie ein CEO seine Firma. Dabei denke ich an Silicon Valley und Hightech: Apple, Google, Facebook, Microsoft ... In die Führungsmannschaft solcher Organisationen werden Personen geholt, weil sie eine Frage beantworten, einfach indem sie tun, was sie tun oder sind, wer sie sind. Sie strahlen etwas aus, wovon die Organisation heute denkt, dass sie es benötigt, um morgen Marktführer zu sein (oder zu bleiben).

Best Practices

So ähnlich hat auch Kurz seine Regierungsmannschaft, quasi sein Executive Board, ausgewählt. Ein Blick auf die Website der Neuen ÖVP gibt klar zu erkennen, dass die Partei in der Gegenwart angekommen ist: Die ist gemäß den Best Practices – also den am meisten Erfolg versprechenden Methoden und Praktiken – von Onlinemarketing und Kommunikation gestaltet und hat viel von den Websites von Apple und Microsoft. Das Design, der Content, die Benutzerfreundlichkeit – vom Feinsten, ein Schulbeispiel für Effizienz. Alles signalisiert Ruhe und Übersicht, auch wenn wir von einem Smartphone aus zugreifen. Fast könnte man spekulieren, dass Türkis als neue Parteifarbe gewählt wurde, weil Schwarz auf dem Bildschirm einfach zu streng ist.

Interessant, weil eine Website eine Art Schaufenster ist, in dem eine Organisation herzeigt, wofür sie steht; und gemeinsam mit anderen Medien – seien es soziale Medien, Werbung aller Art, aktuelle Berichterstattung etc. – entstehen Synergien, die den Auftritt und das Image von Sebastian Kurz verstärken. Und daran wird unentwegt gebastelt: Ruhe und Übersicht, in Zeiten von Flüchtlingskrise, von globaler atomarer Bedrohung durch Nordkorea oder Russland, von kontroversiellen Äußerungen und Aktivitäten der FPÖ-Minister ... Kurz bleibt erhaben, hält Reden oder schweigt – je nachdem. Josef Hader hat ihn den "netteren Rechtspopulisten" genannt: "Er fährt zu Macron und danach zu Orbán und findet mit beiden Schnittmengen." Mit anderen Worten: Kurz will Marktführer bleiben, er pickt sich die Rosinen aus dem Kuchen, er holt sich, was er mit seinem populistischen Projekt verkaufen kann.

Wie Luigi Di Maio wurde auch Kurz 1986 geboren. In den Niederlanden macht seit einiger Zeit ein politischer Shootingstar von sich reden, der ebenfalls ein Mitglied der Y-Generation ist: Sein Name ist Thierry Baudet. Er ist der älteste der drei (Jahrgang 1983) und hat als Einziger sein Jusstudium auch wirklich abgeschlossen. Einen Namen hat er sich bereits als Initiator zweier antieuropäischer Referenda und als Autor mehrerer Bücher gemacht, bevor er 2015 seine Partei Forum voor Democratie gründete. Bei den Parlamentswahlen 2017 gelang es ihm, zwei Sitze im Parlament zu erobern. Rechtzeitig zu den Gemeinderatswahlen morgen werden ihm beste Umfragewerte bescheinigt. Die Kommentatoren sind sich einig, Baudets Erfolg beruht auf seiner Art: Wiewohl viele seiner Programmpunkte denen von Geert Wilders PVV verdächtig ähnlich sind, bringt er sie mit freundlichem Lächeln, aufgeputzt mit Metaphern aus der griechischen Mythologie und lateinischen Zitaten. Seine Fans hängen an seinen Lippen: Rechtspopulismus light. Vielen gilt er als der neue Pim Fortuyn, mit dem 2002 das moderne rechtspopulistische Experiment in den Niederlanden begonnen hatte.(Sylvia Szely, 20.3.2018)