Der Grabhügel von Rom (nicht verwandt) befindet sich im Slagen, einem in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Tal, das circa drei Kilometer nördlich von Tønsberg, Norwegens ältester noch bestehender Stadt, liegt. Archäologisch ist der Slagen vor allem durch den Oseberg-Grabhügel bekannt, in dessen Innerem man 1903 ein beinahe vollständig erhaltenes Schiff aus der Wikingerzeit entdeckt hat.

Das Osebergschiff wurde 1903 im Slagen entdeckt und ausgegraben.
Foto: Public Domain

Letzte Ruhestätte zweier Frauen

Anthropologische Untersuchungen ergaben, dass das Gefährt als letzte Ruhestätte für zwei Frauen (50 bis 55 und 60 bis 70 Jahre alt) diente. Die Grabbeigaben, darunter vier reich verzierte Schlitten aus Holz, deuten auf die hohe gesellschaftliche Stellung der beiden Bestatteten hin. Das Osebergschiff selbst ist mit zahlreichen Schnitzereien versehen und dient als Vorbild für viele zeitgenössische Darstellungen. Einen Drachenkopf besitzt allerdings auch das Osebergschiff nicht.

Ähnlich dem Gokstadschiff, über das ich im Archäologieblog bereits berichtet habe, ist auch das Osebergschiff ein nationales Symbol, das die Norweger eng mit ihrer Geschichte verbinden und auf das sie stolz sind. Zum jetzigen Zeitpunkt sind aus Norwegen nur wenige Schiffsbestattungen bekannt. Eine weitere zu entdecken steht darum auf der Wunschliste jedes norwegischen (und auch vieler nichtnorwegischer) Archäologen relativ weit oben.

Das imposante Osebergschiff heute, zu bewundern im Wikingerschiffmuseum in Oslo.
Foto: wikimedia/Peulle

Weitere Entdeckungen?

Die Möglichkeit besteht auch durchaus, denn längst nicht alle Großgrabhügel, die wir aus Norwegen kennen, sind umfassend untersucht. Als heißer Kandidat für eine solche, potenziell sensationelle Entdeckung wurde lange Zeit der Grabhügel von Rom gehandelt: einerseits, weil er relativ nahe am Oseberg-Grabhügel – ebenfalls im Slagen – liegt, zum anderen, weil er die erforderliche Größe aufweist. Im Unterschied zu den seltenen Schiffsbestattungen treten sogenannte Bootsbestattungen viel häufiger auf. Der Unterschied zwischen Boot und Schiff liegt dabei in der Größe. Alle Wassergefährte über 24 Meter maximale Länge werden in Norwegen typologisch als Schiff angesprochen.

Der Rom-Grabhügel mit seinem Durchmesser von bis zu 30 Meter hätte einem Schiff also theoretisch Platz bieten können. Während der Oseberg-Grabhügel ganze sechs Meter aufragt, ist der Rom-Grabhügel durch die intensive landwirtschaftliche Nutzung nur mehr knapp einen Meter hoch erhalten. Da die Schiffe jedoch im marinen Sediment unterhalb des Bodens beigesetzt wurden, hätten sich auch bei solch geringer Höhe zumindest Reste erhalten haben müssen.

Eine Radartiefenscheibe zeigt den Grabhügel. Der rote Kreis markiert die deutlich sichtbare Störung im Inneren der Steinpackung.
Foto: Vfk/LBI Archpro

Eisenzeitliches Monument

Entdeckt wurde der Rom-Grabhügel relativ spät, erst 1994, durch den Einsatz der Luftbildarchäologie. Erste Hinweise darauf kamen allerdings schon früher von ortsansässigen Bauern, die beim Pflügen immer wieder große Steine ausackerten. Um mehr über den Erhaltungszustand, die Struktur und Datierung des Grabhügels in Erfahrung zu bringen, führte die norwegische Denkmalschutzbehörde seit 2007 eine Reihe von Untersuchungen durch, darunter oberflächliche Testschnitte, erste geophysikalische Surveys und eine Probebohrung. 2012 wurde das gesamte Feld schließlich vom Ludwig-Boltzmann-Institut ArchPro in Zusammenarbeit mit der Vestfold Fylkeskommune und dem Norsk Institutt for Kulturminnesforskning mittels Bodenradar und Geomagnetik sehr genau prospektiert.

Diese Untersuchungen ergaben, dass es sich beim Rom-Grabhügel um ein eisenzeitliches Monument handelt, das von einem kreisförmigen Graben umgeben ist und eine Steinpackung im Zentrum aufweist. Die Steinpackung selbst zeigte in den geophysikalischen Daten eine Besonderheit: eine Art Störung. Aufgrund der Daten vermuteten wir, dass es sich um einen sogenannten Beraubungstrichter handelte, das Grab also nachträglich noch einmal geöffnet wurde. Ob zu rituellen Zwecken bald nach der Grablegung oder tatsächlich in räuberischer Absicht, konnten wir nicht feststellen.

Basierend auf all diesen Ergebnissen wurde 2013 vom norwegischen Amt für Denkmalschutz, unter der Leitung des Kulturhistorischen Museums der Universität Oslo, beschlossen, den Rom-Grabhügel auf größerer Fläche zu öffnen und auszugraben.

Der Grabungsschnitt mit Blick zur Mitte des Grabhügels und der Steinpackung.
Foto: KHM/Vfk

Auffällige Steinpackung

Meine Aufgabe war es, die Grabung dreidimensional Schicht für Schicht mittels Laserscanner zu dokumentieren. Das ermöglichte später, die Grabung im virtuellen Raum zu rekonstruieren – zum einen eine sehr genaue Dokumentationsmethode, die auch für die spätere Bearbeitung der Ausgrabungsdaten von Vorteil ist. Zum anderen können unsere Ergebnisse so sehr anschaulich an Laien vermittelt werden – in Videos und Dokumentationen zum Beispiel. Die zweiwöchige Ausgrabung im Sommer 2013 fand im kleinen Team statt und konzentrierte sich auf einen von der Mitte aus radial verlaufenden Schnitt, der uns Einblicke in die Struktur des Hügels und des umgebenden Grabens erlaubte, aber auch die in der Hügelmitte liegende Störung erfasste.

Die Arbeiten der ersten Woche fokussierten sich auf die Öffnung des Hügels und die Entfernung von Grasnarbe und Ackerschicht, um die darunter liegende Steinpackung des Grabmals freizulegen, die hauptsächlich aus großen, von den Gletschern der letzten Eiszeit abgerundeten Steinen bestand. Das Material im Bereich der Störung unterschied sich deutlich davon und bestand aus sehr viel kleineren, scharfkantigen Steinfragmenten. Unterschiede dort waren uns auch schon in den geomagnetischen Daten aufgefallen: während der Bereich über der Steinpackung starke, thermoremanente Magnetisierung aufwies, war die Störung sehr viel schwächer magnetisch.

Helle Aufregung

Durch die stratigrafische Ausgrabungsmethodik konnten wir die Ablagerungsprozesse im Bereich des geöffneten Schnittes nachvollziehen, ihre archäologische Bedeutung blieb uns vorerst jedoch verborgen. Das änderte sich schnell, als wir in der zweiten Woche den Bagger zu Hilfe nahmen und unter Berücksichtigung des Schichtverlaufs der Störung zu Leibe rückten. Am Dienstag erreichten wir so die marinen Sedimente, in die die Schiffe in vergleichbaren Grablegungen eingebettet sind und so ein Jahrtausend überdauern können. Als dann auch noch Holz zum Vorschein kam, geriet alles für circa eine Stunde in helle Aufregung. Sollten wir tatsächlich auf eine Schiffsbestattung gestoßen sein?

Um es kurz zu machen: nein. Das Holz entpuppte sich als Boden eines Kartoffelkellers, der vor circa 100 Jahren in den Grabhügel gegraben wurde – nicht ungewöhnlich in Norwegen und ein schönes Beispiel für die Überprägung archäologischer Landschaften. Dass die Störung nachträglich in den Grabhügel eingebracht worden war, war schön in den geophysikalischen Daten zu erkennen und wurde von uns auch richtig interpretiert. Die oftmalige Zweitnutzung solcher Grabhügel in der Neuzeit war uns jedoch nicht bekannt – ein Umstand, der die funktionelle Deutung erschwerte und zeigt, wie wichtig die Zusammenarbeit mit den Archäologen vor Ort ist und warum Evaluierungsgrabungen im Sinne eines iterativen Ansatzes in der archäologischen Prospektion unabdingbar sind. Je mehr Vergleichsdaten wir haben, desto genauer werden unsere zerstörungsfreien Interpretationen.

Der mittlerweile in ganz Vestfold berühmt-berüchtigte Kartoffelkeller. Gut erkennbar ist die Verfüllung der neuzeitlichen Störung mit ihren scharfkantigen Steinfragmenten. Der Boden des Kellers wurde mit Holz ausgelegt, das sich im anaeroben Milieu des marinen Lehms gut erhalten hat und uns kurzzeitig in Euphorie versetzte.
Foto: KHM
3D-Rekonstruktion von Teilen des Kartoffelkellers von Petra Schneidhofer (LBI ArchPro).

Ich für meinen Teil war zwar etwas enttäuscht, konnte aber wichtige geoarchäologische Daten für meine Doktorarbeit sammeln und mich damit trösten, dass es auf der Welt wohl keinen genauer dokumentierten Kartoffelkeller als den im Rom-Grabhügel gibt. Die Suche nach dem nächsten Schiffsgrab geht derweil weiter. (Petra Schneidhofer, 22.3.2018)