Lokale LGBT-Organisationen organisieren Schulungen für Polizeibeamte. Immer wieder kommt es dennoch zu Verharmlosungen von Verbrechen gegen Homo- und Transsexuelle.

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Wien/Barbados – Das karibische Lebensgefühl ist für einen Teil der ostkaribischen Bevölkerung nicht mit Freiheit und Lebenslust verbunden. Homo- und bisexuelle Menschen sowie Transpersonen werden diskriminiert, mit Mord bedroht und in den Schatten gedrängt. Antigua und Barbuda, Barbados, Dominica, Grenada, St. Kitts und Nevis, St. Lucia sowie St. Vincent und die Grenadinen haben noch immer Gesetze aus der britischen Kolonialzeit, die sich gegen einvernehmlichen Geschlechtsverkehr zwischen Homosexuellen richten. Dabei wird Zuwiderhandeln mit bis zu lebenslanger Haft bedroht.

"Auch wenn die Menschen nur selten für diese Verbrechen verfolgt werden, geben die Gesetze das Signal, dass diese Personen weniger wert sind", sagt Boris Dittrich, Mitarbeiter der NGO Human Rights Watch (HRW) zum STANDARD. Für den am Mittwoch veröffentlichten HRW-Bericht wurden 41 homo-, bi- und transsexuelle Menschen (LGBT) in den ostkaribischen Staaten interviewt.

Sie alle erzählen von Mobbing durch Familienmitglieder, Gewalt in der Gemeinschaft und wie sie sich zum Teil in heterosexuelle Scheinbeziehungen flüchten, um nicht verfolgt zu werden. Viele Betroffene würden auch auswandern. Die USA und Kanada sind dabei beliebte Zufluchtsorte, in denen Homo- und Transsexuelle von den Inseln Asyl erhalten.

Mordaufrufe in Chart-Hits

Auch die Popkultur unterstützt die hasserfüllte Rhetorik auf Homosexuelle. Vor allem Chart-Hits aus Jamaika rufen unter anderem dazu auf, Schwulen und Lesben in den Kopf zu schießen, oder verharmlosen die Vergewaltigung lesbischer Frauen, weil sie es nicht anders verdient hätten.

Ebenso trägt die Rolle der katholischen Kirche auf den Inseln zum homo- und transphoben Klima bei. Aufrufe des Vatikans, homosexuelle Menschen zu respektieren und nicht als Kriminelle zu verfolgen, erreichen diese Staaten nicht, beobachtet Dittrich. Wobei laut seiner Einschätzung die kirchlichen Vertreter auf den Inseln nicht unisono gegen Homosexuelle predigen. So hätte der Bischof auf Barbados vor zwei Monaten einen respektvollen Umgang mit Homosexuellen gefordert.

Doch das sei noch nicht bis in die Gesellschaft vorgedrungen, erzählt der HRW-Mitarbeiter: "Es kostet den Menschen viel Kraft, ihre Identität und sexuelle Orientierung zu verstecken." Dabei fehle es gleichzeitig an einem psychosozialen Netz, um die Personen aufzufangen.

Viele Verstoßene würden auf der Straße landen. Außerdem finde oft eine erneute Traumatisierung statt, wenn Betroffene Missbrauch oder körperliche Angriffe bei der Polizei melden wollen. "Sie werden oft nicht ernst genommen, ausgelacht, denn offiziell handelt es sich bei Homosexuellen ja um Kriminelle", sagt Dittrich.

Schulung von Polizeibeamten

Initiativen von Polizeieinheiten gemeinsam mit lokalen LGBT-Organisationen organisierten spezielle Trainings für Polizeibeamte im Umgang mit homo- und transsexuellen Personen. Interviews im HRW-Bericht belegen, dass solche Ausbildungen eine positive Auswirkung auf den Umgang mit Betroffenen haben. "Man muss sich aber immer in Erinnerung rufen, dass, wenn die ausgebildeten Polizeibeamten den Dienst quittieren, neue Kollegen ohne Schulung in die Wachen kommen", sagt Dittrich: "Es braucht eine Institutionalisierung solcher Programme."

Die Aktivisten hoffen zudem, dass Großbritanniens Queen Elizabeth II als Oberhaupt des Commonwealth ihren Einfluss in der Region nutzen könne, um die Gesetzgebung zu ändern. Beim Commonwealth-Treffen im April in London will Dittrich die Lage der Homo- und Transsexuellen in der Ostkaribik auf die Agenda hieven.

Ein Umdenken würde aber bereits jetzt passieren, erzählt der HRW-Mitarbeiter: "Die junge Bevölkerung ist viel vernetzter und denkt liberaler." In den meisten Staaten würde bereits jetzt eine Mehrheit der Bevölkerung eine Akzeptanz von Homosexuellen unterstützen – aber eben auch die Beibehaltung der Gesetze. "Da bedarf es Aufklärung", sagt Dittrich. (Bianca Blei, 21.3.2018)