Unter #BalancetonPorc (Verpfeif das Schwein) berichteten Französinnen von sexuellen Übergriffen.

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Das am Mittwoch vorgestellte Gesetzesvorhaben sei älter als die Weinstein-Affäre, betonten die beiden Initiatorinnen, Justizministerin Nicole Belloubet und Marlène Schiappa, Staatssekretärin für die Gleichstellung von Mann und Frau. Diverse Bestimmungen sind dennoch umstritten. Dazu gehört die sexistische Beleidigung oder Beschimpfung (" outrage sexiste") im öffentlichen Raum. Wer einer Frau Schimpfwörter oder unflätige Sprüche nachruft, kann in Frankreich künftig – wenn das Parlament im Frühjahr zustimmt – mit einem Bußgeld von 90 bis 750 Euro belangt werden.

Laut einer Umfrage aus dem Jahr 2016 mussten 83 Prozent der Pariserinnen schon solche Sprüche über sich ergehen lassen. Präsident Emmanuel Macron erklärte: "Frankreich darf nicht mehr eines der Länder sein, in denen die Frauen Angst haben."

Politikerin: "Neuer Puritanismus"

Schiappa sagte, der Tatbestand für solche Beschimpfungen liege irgendwo zwischen schwerfälliger Anmache und sexueller Aggression. Die Definition des neuen Vergehens fiel ihren Juristen allerdings schwer. Das Gesetzesvorhaben spricht von "Aussagen oder Verhalten mit sexuellem oder sexistischem Beigeschmack, der wegen seines erniedrigenden Charakters die Würde beeinträchtigt oder eine einschüchternde, feindselige oder kränkende Situation schafft".

Die konservative Politikerin Virginie Calmels warnte am Mittwoch vor einem "neuen Puritanismus" und sprach sich dagegen aus, "Strafen anzuordnen, wenn einer auf der Straße einer Frau nachpfeift". Schiappa erwiderte, es gehe nicht darum, Männerpfiffe auf dem Gehsteig zu ahnden, sondern weitergehende Beleidigungen. Zur Skepsis von Polizeisprechern, ob die neuen Gesetzesbestimmung im Alltag beweis- und damit umsetzbar sei, meinte die Frauenministerin, der Hauptzweck der Maßnahme sei "pädagogischer" Natur.

Schutzalter von 15 Jahren

Ebenso heiß debattiert wird die Festlegung eines Schutzalters, das es in Frankreich in dieser Form nicht gibt. Schiappa und Macron setzen es in ihrer Vorlage bei 15 Jahren an. Wer jünger ist, gilt laut Gesetz als zu unreif und damit als unfähig, aus freien Stücken in Sex mit Älteren einzuwilligen. Diese tragen die Konsequenzen: Kommt es zu einer Penetration, haben die Gerichte von einer Vergewaltigung auszugehen – bestraft mit bis zu zehn Jahren Haft.

Schiappa will damit vor allem die "Hemmschwelle" für Erwachsene im Umgang mit Minderjährigen erhöhen. Die Gegner der Strafverschärfung führen zwei jüngere Fälle ins Feld, bei denen elfjährige Mädchen monatelange Beziehungen mit älteren Männern gepflegt hatten. Gegenüber der Polizei erklärten alle Beteiligten, sie hätten aus Liebe gehandelt. Ein 31-jähriger Lehrer gab zu Protokoll, seine ehemalige "Freundin" sei für ihr Alter "sehr reif"; auch habe er sie nie zu irgendetwas gezwungen. Das Mädchen distanzierte sich allerdings gegenüber der Polizei von der Beziehung.

Kritik von Kinderschutzverbänden

Der französische Staatsrat hatte ein Schutzalter von 13 Jahren angeregt, drang damit aber nicht durch. Dafür erreichte er, dass die volljährige Person nur verfolgt wird, wenn sie "moralischen Zwang oder Überraschung" angewendet hat. Zudem soll der Tatbestand der Vergewaltigung einer Minderjährigen nur gegeben sein, wenn der Täter das Alter "kannte oder hätte kennen müssen". Kinderschutzverbände üben teils scharfe Kritik.

Weniger umstritten sind zwei weitere Neuerungen in dem Gesetz. Der Tatbestand der Belästigung per Internet soll verschärft werden; neu wird auch, dass die einmalige Beteiligung an Shitstorms und Ähnlichem strafbar wird. Bei Vergewaltigung wird die Verjährung wegen der neuen technischen Möglichkeiten zudem von 20 auf 30 Jahre erhöht, wenn die Nationalversammlung im Frühjahr wie erwartet zustimmt. (Stefan Brändle aus Paris, 21.3.2018)