"Dantons Tod" um die Schattenseite der Revolution: Für den Regisseur geht es auch um "Fraktionen, die einander auffressen".

Foto: Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

Erstmals an der Staatsoper: Josef Ernst Köpplinger.

Foto: Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

Wien – Auch ein Profi des Theaterhandwerks kann schon in Stressnöte geraten. Josef Ernst Köpplinger, an sich Intendant in München, wird das jetzt so nicht zugeben. Da er jedoch gegenwärtig erstmals an der Wiener Staatsoper inszeniert und dennoch einmal in der Woche nach München zu fahren hat, darf erhöhter Energieaufwand vermutet werden. Wie der Intendant des Staatstheaters am Gärtnerplatz seine Inszenierung von Gottfried von Einems Oper anlegen würde – diese Frage war wohl auch ziemlich fordernd. Sie ist allerdings schon vor den Proben beantwortet worden.

"Es war ein langer Prozess zu durchlaufen bis zu der jetzigen Version. Ich wollte alles in einem Museum spielen lassen – mit einer echten Guillotine. Angedacht war auch etwas Futuristisches, es funktionierte nur nicht. Schließlich haben wir versucht, ganz anders zu denken."

Ein blindes Abschlachten

Die Frage war, was denn diese Revolution bedeutet hat? "Sie ist auch ein Fiasko gewesen, ein blindes Abschlachten. Es ergaben sich Konstellationen, in denen sich die Fraktionen gegenseitig aufgefressen haben. Und sie haben das Töten öffentlich gemacht, das war grauenhaft. Jeder Fanatismus endet offenbar in Fatalismus." Durch diese Ansätze sei er als Regisseur, so Köpplinger, "mit dem Werk schon im Heute", ohne den Zeitsprung direkt betonen zu müssen. "Man stelle sich vor: In Frankreich ist der letzte Mensch 1977 durch eine Guillotine umgekommen. Zu der Zeit haben wir doch Komödien mit Louis de Funès geschaut! Angesichts dieser Fakten muss ich nicht verzweifelt nach Parallelen zwischen Geschichte und Gegenwart suchen. Das wäre ohnedies etwas ausgelutscht."

Dantons Tod, 1947 bei den Salzburger Festspielen der Durchbruch für den Komponisten, ist für Köpplinger (1964 in Hainburg an der Donau geboren) "komplexer als Einems Der Besuch der alten Dame. Aber Einem hatte wirklich eine Theaterpranke, er mischt Stile, was ja seinen eigentlichen Stil ausmacht. Da hat er gar keine Berührungsängste. Dantons Tod als Oper ist natürlich nicht ganz Georg Büchner. Ich weiß also, dass die Sänger nicht so agieren können, wie es Schauspieler täten." Obwohl das Werk – das Libretto stammt von Einems Kompositionslehrer Boris Blacher – versucht, das Musikalische und das Theatralische substanziell zu binden.

Auch Zorn empfinden

Köpplinger, einige Jahre auch Intendant des Stadttheaters Klagenfurt, versucht auch zu verbinden. Handwerk und Idee. Originalität und das, was er für den Kern eines Werkes hält. "Wenn das Handwerk nicht als solches beurteilt wird, sondern gemixt wird mit dem eigenen Geschmack, ist das für mich jedenfalls unangebracht." Es habe Jahre gegeben, da die "Selbstverständlichkeit des Handwerks nicht mehr wichtig schien". Bearbeitung und Eingriff seien zwar essenziell, "aber wenn es dem Werk gegenüber respektlos zugeht, bin ich der Falsche. Ich will mich nicht über Shakespeare und Mozart stellen. Ich wage das nicht. Man soll das Stück mögen oder gerne auch Zorn empfinden. Aber man soll am Ende doch etwas zu erzählen haben." Ihm ist – bezogen auf die Theater- und Musiktheaterszene im Allgemeinen – "die Vielfalt der Ansätze wichtig. Die Buntheit ist doch jener Luxus, der uns von der Barbarei entfernt. Es muss nicht jeder im gleichen Stil inszenieren."

Vielerlei Stilansätze, sie sind auch für ein Repertoirehaus wie das Haus am Ring wichtig, an dem Köpplinger nun arbeitet. "Ich kenne die Staatsoper, seit ich zehn bin – als Stehplatzbesucher. Man muss aufpassen, nicht durch Verklärung gelähmt zu werden. Aber natürlich war ich sentimental berührt, als ich da jetzt hinkam."

Ein komplexes Ding

Es erwies sich ohnedies aber als Freude, mit "den Leuten zu arbeiten. Die Staatsoper ist ja durch das Repertoiresystem ein komplexes Ding; ich weiß, was die technisch leisten! Wie immer unsere Version letztlich aufgenommen wird, die Erarbeitung war toll – etwa mit dem Chor. Das war schon besonders." Natürlich sei der Chor ein "Kollektiv, da braucht es Feingefühl und Feinfühligkeit wie auch beim Staatsopernorchester. Ich zeige jedenfalls gerne, dass ich die Menschen und meinen Job mag. Das ist eben mein Weg."

Der Chor sei ja "durchaus belastet durch die viele Arbeit im Repertoirehaus. Das Positive war in diesem System allerdings, dass sich die Kollegen geöffnet haben. Und deswegen sind sie eben Künstler." Schön sei auch gewesen, dass die Dirigentin der Produktion, die Finnin Susanna Mälkki, bei den Proben dabei war. "Es gibt ja unter den prominenten Dirigenten auch einige, die leider nur zu den Endproben kommen." (Ljubiša Tošić, 22.3.2018)