Wien – "Therapie statt Strafe" nennt sich das Konzept, von illegalen Substanzen abhängige Rechtsbrecher nicht ins Gefängnis zu stecken, sondern stationär oder ambulant zu behandeln. Andreas M. war als Psychotherapeut bei einem Verein dafür zuständig, Menschen aus der Sucht zu befreien. Sonderlich angestrengt soll er sich dafür nicht haben – Staatsanwalt Fridolin Moritz wirft dem 61-Jährigen vor, gegen Geld positive Berichte verfasst zu haben.

Aufgeflogen ist die Affäre schon im Jahr 2015, als M. einem verdeckten Ermittler der Polizei drogenfreie Harntests bestätigte, die nie stattgefunden hatten. Zu diesem Punkt bekennt sich der von Klaus Ainedter verteidigte Angeklagte schuldig: "Das war mit Sicherheit der größte Fehler meines Lebens", sagt M. in seiner Stellungnahme, die er vor Beginn der Befragung abgibt. Dass er bereits 2014 Herrn Y. gegen Bargeld positive Berichte schrieb, bestreitet M. aber.

"Es ging mir nicht ums Geld!"

Und überhaupt: "Es ging mir nicht ums Geld!", beteuert der Angeklagte gegenüber Richterin Elisabeth Reich. "Worum denn dann?", ist diese skeptisch. Er habe an Burnout gelitten, das Klientel sei ihm nach 35 Jahren im Beruf auf die Nerven gegangen. "Ich war fertig", behauptet er.

Der Undercoverermittler habe ihm gesagt, er sei mit Kokain erwischt worden, es sei ein einmaliger Ausrutscher gewesen, er brauche aber nun die Harntests für die Verkehrsbehörde. Die Reaktion des Therapeuten laut Polizeiprotokoll: "Auf den Harntest für Behörden scheiß ich!" Für 200 Euro im Monat bestätigte er dem Ermittler also ohne Therapie und Test, drogenfrei zu sein. Nicht nur das: Als M. auf Urlaub ging, kassierten zwei seiner Kollegen und stellten die Bestätigungen aus, ihre Fälle wurden mittlerweile diversionell erledigt.

"Schwieriger Patient"

Herrn Y. beschreibt M. als "schwierigen Patienten", den er eineinhalb Jahre betreut hat. Das verblüfft die Richterin: "In Ihrem Therapiebericht an das Gericht steht aber, er sei vorbildhaft!", zitiert sie. Außerdem hielt M. dezidiert fest, Y. habe durchgehend negative Harntests abgegeben, was aber nicht stimmte. "Therapie ist ein Prozess, da kann es immer wieder zu Rückschlägen kommen", versucht der Angeklagte zu belehren

Zeuge Y. erzählt, er musste 300 Euro zahlen, um eine Bestätigung über den positiven Abschluss der Behandlung zu bekommen. "Wie sind Sie überhaupt auf den Verein gekommen?", will Reich von ihm wissen. "Ein Kollege aus einer anderen Therapie hat mir gesagt, dass man dort Scheintherapien machen kann."

Ainedters Bitte um eine Diversion wird nicht erfüllt, Reich verurteilt M. zu neun Monaten bedingt und 5.580 Euro unbedingter Geldstrafe. (Michael Möseneder, 22.3.2018)