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Die Gewerkschaft organisierte landesweite Kundgebungen, die größte fand in Paris statt. Protestiert wurde gegen die von Macron angekündigte Reform der Staatsbahn SNCF. Deren Beschäftigte sollen ihren beamtenähnlichen Status verlieren.

Foto: REUTERS/Pascal Rossignol

Noch ist Hoffnung. Jacqueline wartet im Bahnhof Montparnasse geduldig auf den Zug. Mit ihrem Verein "Lourdes Krebs Hoffnung" wollte die rüstige Rentnerin einen Ausflug nach Chartres unternehmen, um die weltberühmte Kathedrale zu besichtigen. Alles war seit Monaten geplant – nur der Zug fehlt seit einer Stunde. In dem Pariser Bahnhof, in dem die TGV-Züge aus der Bretagne und täglich Zehntausende von Vorstadtpendlern ankommen, herrscht für einmal angenehme Ruhe.

Zahlreich sind in dem riesigen Bahnhofgebäude die Rotwesten der Bahnauskunft. "Rot" nicht im politischen Sinn: Dalila beteiligt sich nicht am Streik, obwohl sie das viel geschmähte Eisenbahnerstatut (Vorzugsprämien, 50 Urlaubstage, Rente mit 51) genießt. Dieses Statut will Emmanuel Macron bei Neueinstellungen der Staatsbahn SNCF abschaffen; und es brockt ihm nun den ersten Härtetest mit den Gewerkschaften ein. Die "cheminots" (Eisenbahner) organisieren bis Ende Juni, wenn die Reform durch das Parlament gehen soll, einen sogenannten "Perlenstreik": Zweitägige Blockaden werden von jeweils drei Arbeitstagen gefolgt sein. Zermürbungstaktik? Dazu will sich Dalila nicht äußern.

Konfliktzone den Gegnern

Die SNCF-Manager überlassen die Konfliktzone des Gare Montparnasse derzeit dem Gegner. "Gleis 24, ganz hinten", gibt ein Kioskverkäufer ihren Treffpunkt wie einen Geheimtipp an. Dort findet auf dem oberen Deck einer Parkgarage eine Vollversammlung statt. "Gegen die Privatisierung, gegen den Abbruch der SNCF", steht auf einem Transparent der Gewerkschaft CGT.

Für Gesprächsstoff sorgt vor allem eine in den Medien verbreitete Mail eines unbekannten CGT-Mannes, der die Kumpels zur "Desorganisation" aufruft, gefolgt vom Zusatz: "Ich denke, ihr habt verstanden, was ich meine." SNCF-Boss Guillaume Pepy verurteilte erbost die verklausulierten "Sabotagedrohungen", doch Joël zuckt nur mit den Schultern: "Wenn die Arbeiter immer schön brav geblieben wären, hätten sie nie die Bastille gestürmt und die Revolution ausgerufen."

"Er wird auf Granit beißen"

"Der Präsident kennt nur Worte wie Strukturreform, Verfassungsrevision, kopernikanische Wende oder Big Bang – mit denen er den Um- und Abbau des Service public vorantreiben will", sagt Gewerkschafter Jean. "Damit wird Macron noch auf die Nase fallen wie Premier Alain Juppé 1995 mit seiner gescheiterten Renten- und Bahnreform." Damals war Frankreich wochenlang gelähmt gewesen. Doch weht heute nicht ein anderer Wind? Haben die Franzosen Macron nicht mit dem klaren Mandat gewählt, ihr Land zu reformieren? "Schon", räumt Jean ein. "Aber nun greift er frontal die Eisenbahner und ihr Statut an. Da wird er auf Granit beißen."

Der Streiktag bei der SNCF war an diesem Donnerstag jedenfalls gut befolgt. Die öffentlichen Bediensteten, die parallel zu den "cheminots" streikten und 140 Umzüge im ganzen Land organisierten, bewirkten ihrerseits massive Störungen im Flug- und Bahnverkehr, in den Gerichten, Schulen, Altersheimen und Krankenhäusern. Die Beamten fordern Lohnerhöhungen aufgrund der aufhellenden Konjunktur – wie das Personal von Air France, das heute, Freitag, streiken wird.

Und die Demonstranten wirkten sehr entschlossen. Politisch geschwächt und mitgliederarm, hauen sie umso lauter auf die Pauke. Am Rande der Pariser Umzüge kam es am Donnerstag zu Zusammenstößen mit der Polizei. Macron weiß: Die nächsten Wochen werden darüber entscheiden, ob sein fünfjähriges Reformmandat zu einem Erfolg wird – oder nicht. (Stefan Brändle aus Paris, 22.3.2018)