Filmkritiker Pavel Branko (im Bild mit Memorial-Chefin Glück und seinem Buch) kam zu Kriegsende als politischer Gefangener nach Mauthausen. Er überlebte knapp. Sein Widerstandsgeist ist bis heute ungebrochen.

Foto: Mauthausen-Memorial

Pavel Branko, "Gegen den Strom", Reihe Mauthausen-Erinnerungen Band 2, € 27,90 / 200 Seiten, New Academic Press, Wien 2018

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"Es war so viel Aufgestautes in unserem Leben", sagt der zarte alte Herr auf dem Podium, "das hat die Phantasie ungeheuer entfesselt." Er spricht langsam in einem singenden, ein wenig fremd klingenden altösterreichischen Deutsch, gestikuliert großräumig, die Augen leuchten. Der slowakische Filmkritiker und Übersetzer Pavel Branko ist zwar 97 Jahre alt und körperlich gebrechlich. Aber das vergisst man, wenn er über eines seiner Lieblingsthemen, die tschechoslowakische Nouvelle Vague, spricht: "Da war ein großes Aufflammen, das Authentisches aus dem kommunistischen Alltag mit dem typisch tschechischen Humor verband", schwärmt er noch heute.

Branko, der Filmkritiker, war dabei in den 1960er-Jahren, als es für ein paar kurze, atemlose Jahre so aussah, als könnte die Freiheit der Kunst über die stalinistische Kulturdoktrin siegen. Für ein paar Stunden war Pavel Branko Mittwochabend in Wien, um im Admiralkino darüber und über vieles andere in seinem an Aufregungen, Brüchen und Gefahren reichen Leben zu erzählen.

Gegen den Strom

Der Anlass für den Kurzbesuch des in Bratislava lebenden Branko ist ein Buch über ihn und mit ihm, Gegen den Strom, herausgegeben von der KZ-Gedenkstätte Mauthausen. Denn Branko ist auch einer der letzten Überlebenden des KZ Mauthausen. Im Februar 1945, kurz vor Kriegsende, kam Branko, der damals noch Pavel Haas hieß, als jüdischer politischer Gefangener in das oberösterreichische KZ. Er überlebte den Terror nur knapp, bei seiner Befreiung wog er nur mehr 39 Kilo.

Barbara Glück, die Chefin des Mauthausen-Memorials, würdigte Branko als einen, "der bis heute stolz gegen den Strom schwimmt". Tatsächlich ist Branko, "der in die kommunistische Partei eintrat, als das keiner machte und wieder austrat, als sich keiner getraute" (Mauthausen-Forschungsleiter Andreas Kranebitter), kritisch bis heute.

Regime-Gegner

Nach der Niederschlagung des Prager Frühlings wurde er, als einer unter 43 slowakischen Kollegen, mit Publikationsverbot belegt, galt dennoch als einer der einflussreichsten Kritiker.Nach der Wende war Branko einer der wenigen, der gegen Konsumgläubigkeit und den Zwang zum schnellen Erfolg anschrieb und unbeirrt für hohe Qualität im tschechischen Film warb. Nach Österreich, das er 1945 mit einem Rucksack voller deutscher Bücher verlassen hatte, führte ihn 2015 eine Klage gegen die rechtsextreme Aula. Diese hatte Mauthausen-Befreite pauschal als "Massenmörder" und "Landplage" bezeichnet – und Branko, unter anderen, klagte erfolgreich gegen diese "typische Übertreibung ewig Gestriger". Die Aula musste widerrufen.

Trotzdem hat Branko heute sogar Verständnis für den derzeitigen Erfolg rechter Parteien in Europa: "Die illegale Immigration ist ein großes Problem", sagte er zum STANDARD. Die derzeitigen Massendemonstrationen in seiner Heimat gegen die slowakische Regierung kommentiert er mit einem Goethe-Zitat: "Das Bühnenstück ändert sich nicht, nur die Besetzung." (Petra Stuiber, 22.3.2018)