Nachhaltigkeitsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP), Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) und Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP)

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Wien – Das Vorhaben der SPÖ, einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum Bundesamt für Verfassungsschutz (BVT) einzusetzen, hat am Freitag zu einem wilden Streit zwischen den Parteien geführt. Nachdem ÖVP und FPÖ am Donnerstagabend im Geschäftsordnungsausschuss des Nationalrates den SPÖ-Antrag auf Einsetzung eines U-Ausschusses abgelehnt hatte, warf der rote Klubchef Andreas Schieder Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka "Amtsmissbrauch" vor.

Ein Überblick über das Aufregerthema BVT und die Frage, wer beim Höchstgericht die besseren Karten hat:

ORF

Frage: In Kürzestform: Worum geht es bei der BVT-Affäre?

Antwort: Ende Februar kam es zu Hausdurchsuchungen im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT). Die Razzia wurde von einer Polizeieinheit gegen Straßenkriminalität durchgeführt, die von einem FPÖ-Politiker geleitet wird. Es kam zu einer umfassenden Sicherstellung von Daten, auch jener Daten einer Abteilungsleiterin für Extremismusbekämpfung, die sich unter anderem mit FPÖ-nahen Personen beschäftigte. In einem Dossier und von vier anonymen Zeugen wurden gegen fünf BVT-Beamte Korruptionsvorwürfe erhoben. Zu löschende Daten sollen nicht gelöscht und nordkoreanische Passrohlinge unzulässigerweise an Südkorea übergeben worden sein.

Frage: Warum will die SPÖ einen Untersuchungssausschuss?

Antwort: Weil es in den letzten Wochen viele offene Fragen und Widersprüche gab – etwa zum chaotischen Ablauf der Hausdurchsuchung oder zum Ausmaß der von der Korruptionsstaatsanwaltschaft sichergestellten Daten. Zudem stellte sich heraus, dass BVT-Chef Peter Gridling über einen Teil der Ermittlungen längst Bescheid wusste, was Zweifel an der Dringlichkeit der Razzia aufkommen ließ. Dazu passt: Laut Kurier hat die Staatsanwaltschaft Wien parallel ermittelt und ihr Verfahren bereits im Vorjahr eingestellt. Angesichts der Suspendierung Gridlings hegt die SPÖ den Verdacht, es könnte zu einer Umfärbung des BVT kommen.

Frage: Was stand im SPÖ-Antrag auf Einsetzung des U-Ausschusses?

Antwort: Als Untersuchungsgegenstand wurde einleitend "die Klärung der politischen Verantwortung betreffend die Aufgabenerfüllung des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung und allfälliger in diesem Bereich der Vollziehung bestehender Missstände" definiert – und zwar im Zeitraum von 16. Dezember 2013 bis 13. März 2018. Laut Juristen kommt das quasi einer Untersuchung der gesamten BVT-Geschäftsführung in den letzten Jahren gleich. Ebenfalls kaum möglich: Alle Vorgänge rund um die Razzia zu durchleuchten, denn die Hausdurchsuchung gilt keineswegs als abgeschlossener Vorgang in der Vollziehung des Bundes (weil justizanhängig), wie die Geschäftsordnung für U-Ausschüsse vorsieht.

Frage: ÖVP und FPÖ haben den Antrag abgelehnt. Ist der U-Ausschuss jetzt schon gestorben?

Antwort: Keineswegs. Entweder die SPÖ präzisiert ihren Antrag und bringt ihn erneut im Parlament ein – oder sie wendet sich an den Verfassungsgerichtshof, der oberste Schiedsstelle ist. Binnen vier Wochen entscheidet das Höchstgericht, ob der Antrag korrekt war – oder eben nicht. Geht das im Sinne der SPÖ aus, gilt der Ausschuss als eingesetzt.

Frage: Was steht im Parlamentsgutachten, das zur Ablehnung durch ÖVP und FPÖ geführt hat?

Antwort: Die Juristen kommen zu dem Resümee, dass der Gegenstand der Untersuchung gemäß Verfassung "nur ein bestimmter abgeschlossener Vorgang sein kann". Das Verlangen der SPÖ beschreibe den Untersuchungsgegenstand aber "in sehr allgemeiner Weise", es müsse daher davon ausgegangen werden, dass "Konflikte über Zulässigkeit und Umfang des Gegenstandes und der daraus in Folge erwachsenden Verpflichtungen entstehen".

Frage: Was hat die SPÖ nun vor?

Antwort: Stand Freitag wird man den Verfassungsgerichtshof anrufen. SPÖ-Klubchef Andreas Schieder warf Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP), der das Gutachten in Auftrag gegeben hat, vor, mit "Tricksereien" die Aufklärung verhindern zu wollen. ÖVP-Klubchef August Wöginger appellierte hingegen an die SPÖ, einen neuen Antrag zu verfassen. Man habe nichts gegen einen Ausschuss, er müsse aber verfassungskonform zustande kommen.

SPÖ-Klubchef Andreas Schieder (li.) wirft Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka von der ÖVP "Amtsmissbrauch" vor.

Frage: Ist es üblich, dass der Nationalratspräsident derartige Gutachten in Auftrag gibt?

Antwort: Ja, nur der Präsident kann eine solche Einschätzung in Auftrag geben, weil ihm der Legislativdienst des Parlaments unterstellt ist. Den Vorwurf der SPÖ, Sobotka habe "Amtsmissbrauch" begangen, weist Parlamentsdirektor Harald Dossi entschieden zurück: Es habe "keinerlei politische Instrumentalisierung" gegeben.

Frage: Wie bewertet der Rest der Opposition den roten Alleingang beim U-Ausschuss samt Abfuhr durch die Koalitionsparteien?

Antwort: Nach wie vor bieten die Neos und die Liste Pilz ihre Mitarbeit bei der Definition des Untersuchungsgegenstands samt gemeinsamer Einsetzung an – allerdings wollen beide bei weiteren konkreten Ungereimtheiten im Innenressort ansetzen, und das über einen längeren Zeitraum. Parteigründer Peter Pilz meint zum SPÖ-Antrag: "Die Fehler sind keineswegs irreparabel, sondern leicht korrigierbar." Auch der U-Ausschuss-Experte der Neos, Michael Bernhard, sagt: "Ich würde der SPÖ raten, das neu zu formulieren, gerne auch gemeinsam."

Frage: Wie schätzen Experten die Ankündigung der SPÖ ein, sich an den Verfassungsgerichtshof zu wenden?

Antwort: Als keine gute Idee. "Ich würde nicht darauf setzen, dass sie das gewinnt", sagt der Verfassungsrechtler Theo Öhlinger. Der Antrag der SPÖ auf Einsetzung des Untersuchungsausschusses sei angesichts der verfassungsrechtlichen Vorgaben "sehr problematisch".

Wegen der schwammigen Formulierung des Untersuchungsgegenstands wäre es besser, einen neuen Antrag auszuarbeiten, bevor man eine Abfuhr vom Verfassungsgerichtshof riskiert, meinen auch andere unabhängige Juristen, die nicht genannt werden wollen. Parlamentarismusexperte Werner Zögernitz, früher Klubdirektor der ÖVP, hält den Antrag der SPÖ für "verfassungsrechtlich bedenklich", besondere Vorsicht sei auch wegen des Quellenschutzes geboten. Den Gang vor den VfGH würde er begrüßen: "Dann gäbe es endlich eine Begriffsbestimmung darüber, was als bestimmter und abgeschlossener Vorgang gilt."

Frage: Gab es solche Probleme auch bei den U-Ausschüssen zur Hypo und zum Eurofighter, die ebenfalls von Minderheiten eingesetzt wurden?

Antwort: Nein. Der oppositionelle Untersuchungsantrag zur Kärntner Problembank Hypo, der im Dezember 2015 von Blau, Grün und Pink eingesetzt wurde, stieß auf das Wohlwollen von SPÖ und ÖVP. Es gab keinerlei Einwände gegen die knapp vier Dutzend Aufklärungsaspekte. Beim Eurofighter-Gremium im Vorjahr machte sich anfangs Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) nach der Betrugsanzeige gegen Hersteller Airbus zuerst parteiintern, dann gemeinsam mit Peter Pilz für einen U-Ausschuss stark, ehe auch die FPÖ ein zweites Aufklärungsgremium zu den Abfangjägern mitforcierte. Nach entsprechendem Geschäftsordnungsbeschluss auf Antrag von Blau und Grün versicherten alle Fraktionen, gemeinsam sachliche Arbeit leisten zu wollen.

Frage: Jetzt ist der nächste Eurofighter-U-Ausschuss fix. Wieso braucht es eine dritte Prüfung dieses Themas?

Antwort: Aus Sicht von Pilz, jahrzehntelanger Bekämpfer der Abfangjäger, hätte es den aktuellen Beschluss für eine dritte Neuauflage jetzt nicht gebraucht, denn: Bei zwei U-Auschüssen, die parallel arbeiten, sei das Parlament überfordert. Pilz zum entsprechenden Antrag der Neos, der Donnerstagabend einstimmig angenommen wurde: "So macht man Geschenke an die ÖVP – und mir reicht schon eine Junge ÖVP, wir brauchen keine zweite." Seit den neuen Regeln für U-Ausschüsse gilt: Jeder Mandatar darf nur ein Minderheitsverlangen unterstützen. Weil die SPÖ aber bereits die Untersuchung der BVT-Affäre im Alleingang prüfen wollte, blieb für die Causa Eurofighter nur die Option eines Mehrheitsbeschlusses.

Frage: Was soll jetzt konkret beim Eurofighter untersucht werden?

Antwort: Auch Jahre nach dem ersten U-Ausschuss ist noch immer nicht hinlänglich geklärt, ob es in Zusammenhang mit dem Kauf der Kampfjets unzulässige Zahlungsflüsse gegeben hat. Zuletzt wurde der Untersuchungszeitraum noch auf das Jahr 2017 ausgeweitert – damals war Doskozil (SPÖ) Verteidigungsminister.

Frage: Wann können Eurofighter- und BVT-Ausschuss nun tatsächlich mit der Arbeit loslegen?

Antwort: Neos-Mandatar Bernhard rechnet bei dritten U-Ausschuss zu den Abfangjägern mit folgendem, jedoch noch nicht akkordiertem Procedere: Die Aktenanlieferung könnte schon Mitte April starten. Ab Mitte Juni sollen dann erste Auskunftspersonen befragt werden, eine zweite Runde könnte ab September über die Bühne gehen. Beim U-Ausschuss rund um das BVT hängt jetzt, wie erwähnt, alles vom weiteren Vorgehen der SPÖ ab. (Karin Riss, Nina Weißensteiner, Verena Richter, Günther Oswald, 23.3.2018)