Dass er die Kanzlerrolle beherrscht, hat er gezeigt – in die Rolle des Oppositionschefs muss er noch hineinwachsen: Christian Kern

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Linz – Sebastian Kurz überstrahlt wieder einmal alles. 100 Tage Regierungschef – und wenn man die österreichischen Wahlberechtigten fragt, welche Schulnote sie ihm in seiner aktuellen Rolle geben würden, bekommt er von 26 Prozent ein "Sehr gut" und von weiteren 25 Prozent ein "Gut" – gar nicht zufrieden sind mit dem ÖVP-Chef im Kanzleramt gerade nur 19 Prozent, die ein "Nicht genügend" vergeben.

Durchschnittsnote für den Bundeskanzler: 2,42.

Wobei sich Kurz seine Top-Note vor allem bei erklärten Anhängern seiner Partei und bei Freiheitlichen (jeweils mehr als die Hälfte geben einen Einser) abholt, während vier von zehn Sozialdemokraten einen Fünfer vergeben. Bei den Grün-Wählern ist das Muster ganz ähnlich wie bei den Roten, aber wegen der geringen Zahl verbliebener Grüner nicht wirklich statistisch aussagekräftig.

Anders sieht es bei Christian Kern aus, erläutert David Pfarrhofer vom Linzer Market-Institut, das für den STANDARD untersucht hat, ob die Parteien und ihr Spitzenpersonal nach 100 Tagen in ihrer neuen Rolle angekommen sind: "Wir haben gebeten, Christian Kern in seiner Rolle als Oppositionsführer zu benoten – und da geben ihm nur acht Prozent einen Einser, auch von seinen eigenen Wählern sind es nur 20 Prozent."

Gesamtnote für Kern: 3,33.

Zweifel an Kerns Rolle

Das habe auch damit zu tun, dass der Ex-Kanzler in seiner früheren Rolle viel stärker geglänzt hat: In der Bundeskanzler-Direktwahlfrage hatte Kern in seiner besten Zeit vor einem Jahr 39 Prozent – jetzt sind es immer noch 26 Prozent, "da ist der Schluss zulässig, dass Kern viel eher die Kanzlerschaft als die Oppositionsführung zugetraut wird. Kern kann Kanzler, das hat er ja auch schon bewiesen. Die Leute fragen sich aber: Kann er auch Oppositionschef?", sagt Pfarrhofer.

Dazu ließ DER STANDARD folgende Frage stellen: "Der ehemalige Bundeskanzler Christian Kern will der stärkste Kritiker der Regierung sein, eine Rolle, die früher Heinz-Christian Strache hatte. Was meinen Sie: Wird Kern als Oppositionschef stärker in Erscheinung treten als früher Strache, wird er die Rolle eher schwächer anlegen als Strache, oder wird das etwa gleich stark sein?"

Kern schwächer als Strache

Darauf sagen 15 Prozent, Kern werde stärker auftreten, 59 Prozent aber sagen, er werde schwächer auftreten. Dieselbe Frage wurde auch im Dezember des Vorjahres gestellt, wenige Tage bevor Kern das Kanzleramt aufgeben musste. Damals waren noch 22 Prozent der Meinung, Kern werde als Oppositionschef stärker als Strache sein, nur 40 Prozent erwarteten, er werde schwächer sein. Selbst die eigene Wählerschaft meint überwiegend, Kern sei ein schwächerer Oppositionschef als Strache.

Womit wir beim Vizekanzler wären: Heinz-Christian Strache bekommt für seine neue Rolle von zehn Prozent ein "Sehr gut" und von 22 Prozent ein "Gut", womit er etwas besser als Kern liegt – die Ablehnung, der Fünfer von 31 Prozent der Befragten, ist bei Strache allerdings auch viel ausgeprägter als die 19 Prozent Fünfer für Kern. Aus der eigenen Partei bekommt Strache 40 Prozent "Sehr gut" und 46 Prozent "Gut".

Freiheitliche erst halbwegs angekommen

Womit die Freiheitlichen halbwegs in ihrer Rolle als Regierungspartei angekommen sind – und das vor allem auch im Selbstverständnis der eigenen Wählerschaft. DER STANDARD ließ fragen: "Kommen wir nun zu den Parteien in der Bundespolitik: Welche Partei hat sich, Ihrer Meinung nach, in der neuen Rolle gefunden, welche eher noch nicht?" Das Ergebnis ist in der Grafik dargestellt – und zeigt ebenfalls vor allem für die ÖVP günstige Werte.

Aber auch hier lohnt der Blick ins Detail: Ältere Befragte sind wesentlich stärker der Meinung, dass die ÖVP ihre neue Rolle gefunden hat, als jüngere Befragte. ÖVP-Wähler sind von der Rolle ihrer Partei als Kanzlerpartei zu fast 100 Prozent überzeugt.

Die FPÖ wird von rund jedem zweiten Wahlberechtigten als noch nicht in ihrer neuen Rolle angekommen erlebt – von der eigenen Wählerschaft wird allerdings mit einer 80-Prozent-Mehrheit die neue Rolle positiv beurteilt.

Noch nicht etabliert

Jeder fünfte Wahlberechtigte und auch nur jeder dritte Sozialdemokrat sieht die SPÖ schon als Oppositionspartei etabliert.

Unter den Oppositionsparteien stechen allein die Neos positiv hervor, ihnen trauen etwa vier von zehn Befragten zu, ihren Platz in der neuen Parteienkonstellation gefunden zu haben, ähnlich viele sagen, das wäre nicht der Fall. (Conrad Seidl, 27.3.2018)