Stéphane Audran ist 85-jährig verstorben.

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Flair der Unergründlichkeit: Stéphane Audran.

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Paris – Die hohen Wangenknochen verliehen ihrem Gesicht etwas Maskenhaftes, die großen blauen Augen hüteten das Geheimnis einer widerspenstigen Traurigkeit. Diese Schauspielerin sollte sich immer ein Flair der Unergründlichkeit bewahren. Auch ihre souveräne Sinnlichkeit gab keine Antwort auf das, was in Stéphane Audrans Leinwandfiguren vor sich ging.

Stéphane Audran 1969 in "Die untreue Frau" ("La femme infidèle") von Claude Chabrol.
Federico Tlahuizcalpantecuhtli

Niemand respektierte diesen darstellerischen Vorbehalt, dieses Wechselspiel von Präsenz und Entrücktsein so sehr wie Claude Chabrol, mit dem sie in zweiter Ehe verheiratet war und insgesamt 24 Kino- und zwei Fernsehfilme drehte, was rund ein Viertel ihrer Filmografie ausmacht.

In ihrer großen gemeinsamen Zeit, die Mitte der 1960er-Jahre anbrach (für Zwei Freundinnen erhielt sie 1968 in Berlin einen Silbernen Bären), wurde sie zum Antlitz der französischen Bourgeoisie der Pompidou-Ära, deren Abgründe und Lebenslügen sie beharrlich erkundete. Auch nach seiner Scheidung drehte das Gespann noch sieben Filme; erst mit der Simenon-Verfilmung Betty fand ihre Zusammenarbeit 1992 ein hinreißend nonchalantes Ende.

Bei anderen Regisseuren wirkte die 1932 als Colette Suzanne Jeannine Dacheville in Versailles geborene Schauspielerin zuweilen gelöster. Ihr komödiantisches Talent kam in Luis Buñuels Der diskrete Charme der Bourgeosie (1972) und in Bertrand Taverniers Der Saustall (1981) zur Geltung. In Claude Sautets Drama Vincent, Paul, François und die anderen (1974) und an der Seite ihres ersten Ehemanns Jean-Louis Trintignant im Krimi Neun im Fadenkreuz (1971) zeigte sie sich als lebhaft dramatische Ensembledarstellerin. Ihren größten Erfolg feierte die Feinschmeckerin in der dänischen Produktion Babettes Fest (1987), die ihr zeitweilig eine internationale Karriere eröffnete. Doch Hollywood konnte wenig mit ihrer so komplizierten wie eleganten Erotik anfangen, wiewohl sie mit Sam Fuller eine enge Freundschaft verband.

Ein Ausschnitt aus dem mit einem Oscar prämierten dänischen Film "Babettes Fest" mit Audran in der Hauptrolle.
BFITrailers

Stéphane Audran, die in ihren Filmen unzählige untreue Ehefrauen verkörperte, konnte im Leben sehr treu sein – auch der eigenen Arbeit gegenüber: Noch vor zwei Wochen wollte sie in der Cinémathèque in Paris die Einführung zu einem Chabrol-Film halten. Aber da lag sie bereits im Krankenhaus, wo sie am Dienstagmorgen friedlich entschlafen ist. (Gerhard Midding, 28.3.2018)