Hochalkoholische Biere und dicke Burger – diese gefährliche Kombination wird einem jetzt in der Kurrentgasse umgehängt.

Foto: Gerhard Wasserbauer

In Summe ist der "Meatless Madness"-Burger mit gegrilltem Portobello-Pilz und Paprika, Avocado, Cheddar, roter Zwiebel und Basilikumpesto die vergleichsweise verlockendste Option.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Das schöne alte Haus in der Kurrentgasse, gleich beim Judenplatz, war einst beinahe berühmt: In den 1980er-Jahren residierte Celestino Conte hier, ein Gastronom, der es meisterlich verstand, der Hautevolee aus Politik und Wirtschaftsverbrechen mit seidig italianisierendem Schmäh, halbwegs bissfest gekochter Pasta, mutig kalkulierten Garnelen und ein paar Trophäenweinen italienischer Promiwinzer bündelweise Geld aus den Spendierhosen zu ziehen. Das Da Conte galt lange als Inbegriff einer gut geölten Spesenritterburg, in der man das Geld anderer Leute zur Förderung des eigenen Geschäftsgangs wie auch Bauchumfangs investieren konnte.

Irgendwann aber zogen die Gäste mit den dicken Brieftaschen weiter, obwohl sie bei Celestino stets "Dottore", "Cavaliere", gern auch "Conte" sein durften. Der Wirt musste in die Josefstadt umziehen, zuletzt gar in ein eher obskures Buffetlokal in Floridsdorf. Der einst so glanzvolle Standort beim Judenplatz hob trotz mehrerer Versuche diverser Betreiber nicht mehr so richtig ab.

Seit zwei Wochen ist er wieder geöffnet. Die Kreuzgewölbe wurden bis auf die Ziegel abgeschlagen und mit Farbkopien alter Bierwerbungen tapeziert. Einzig die Marmorklos sind noch original Da Conte. An der Bar gibt es 13 Biere vom Fass, die Musik ist nicht ganz leise, die Speisekarte listet Burger auf. Was aber fehlt, sind die in Tranklerhütten dieser Art verpflichtend vorgeschriebenen Rauchschwaden. Könnte daran liegen, dass das Café Delirium eine aus Westeuropa in unsere Breiten verirrte Franchisemarke ist – da draußen müssen Gastronomen schon seit Jahr und Tag ohne Teerablagerungen in den Lungen florieren.

Das Hauptaugenmerk gilt eindeutig der flüssigen Nahrung. Craft-Biere mit acht Volumprozent Alkohol und mehr, wie sie fromme Mönche schon vor Jahrhunderten (und zwar vorzugsweise für die Fastenzeit) einbrauten, sind in eindrucksvoller Dichte vertreten. Delirium Tremens der belgischen Brauerei Huyghe etwa, ein schweres, süßes Ale, das dank 8,5 Prozent am Gaumen an prickelnden Likör gemahnt. Es wirkt wie gemacht dafür, einen in direkten Dialog mit dem Jenseits treten zu lassen.

La Guillotine, ein ähnlich geschmackssicher getauftes Starkbier mit ähnlich abgehobenem Alkoholgehalt, vermag den Prozess der Vergeistigung noch unmittelbarer herbeizuführen. Aber es gibt auch Biere, die Trinkspaß vermitteln: IPA Delirium Argentum zum Beispiel, dickflüssig bitter, mit dichter Krone und beinahe erfrischendem Antrunk; oder das fast schon kindisch leichte Pils der Austro-Kleinbrauerei Muttermilch mit gerade einmal 5,5 Prozent.

Fett ohne Fleisch

Unterlage ist zu all dem dringend geboten. Dafür gibt es Burger in verschiedenen, zum Teil klug zusammengestellten Variationen. Belgian Blue zum Beispiel, mit Blauschimmelkäse, knusprigem Speck und karamellisierten Zwiebeln als Topping, vermag sich den bombigen Bieraromen durchaus entschlossen entgegenzustellen.

Auch die Veggie-Option mit gegrilltem Portobello-Pilz und Paprika, Avocado, Cheddar, roter Zwiebel und Basilikumpesto macht Freude. In Summe ist dieser "Meatless Madness"-Burger (siehe Bild) die vergleichsweise verlockendste Option. Die Fleisch-Pattys sind nämlich eher trocken und bei zu niedriger Temperatur gebraten, ohne merkbare Röstaromen. Gewarnt sei vor dem wässrig-essigsauren Caesar-Salad, vor einem Fantasy-Clubsandwich im durchgefeuchtetem Burgerbun und vor der Signature-Kreation "Bad Ass Burger". Die hat zwar einen echten Haufen an Toppings, badet aber in so viel kunstrauchiger BBQ-Sauce, dass man erst recht meint, in einem Aschenbecher zu sitzen. (Severin Corti, RONDO, 30.3.2018)

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