Laserphysiker Ferenc Krausz war kürzlich an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Wien besucht der Wissenschafter gerne und betont dabei immer wieder, wie dankbar er für die Möglichkeiten ist, die er einst an der TU Wien hatte.

Foto: STANDARD/Corn

Der ungarisch-österreichische Laserphysiker Ferenc Krausz scheint trotz aller Erfolge immer noch von jugendlicher Neugier und Sportsgeist angetrieben. "Das gehört dazu", sagt der 55-Jährige. Und erzählt mit scheinbar unendlicher Freude am Detail und an Ideen aus seiner Gruppe von aktuellen Projekten, um die Laserphysik weiterzuentwickeln. Dabei fällt natürlich oft das Wort "Attosekunden".

Doch was genau ist das? Schreiben wir es doch ein- fach auf: 0,000000000000000001 Sekunden, also 10-18 Sekunden, das ist eine Attosekunde. Wenn Wissenschafter von ultrakurzen Laserpulsen sprechen, dann meinen sie diese Größenordnungen. Der Laser strahlt so kurz, dass er für das menschliche Auge nicht sichtbar ist. Ganz im Gegensatz zu bekannten Lasern im sichtbaren Bereich, die kontinuierlich leuchten, wie sie etwa in Scannern enthalten sind. Wer schon einmal die Selbstbedienungskassa in einem Supermarkt benützt hat, weiß, wovon hier die Rede ist. Generell gilt: Je kürzer ein Lichtstrahl, umso deutlicher werden Vorgänge im molekularen und atomaren Bereich jener Materie, in die das Licht eindringt – was wiederum viele Anwendungsmöglichkeiten eröffnet. Bis hin zur Analyse der Krebsentstehung scheint hier vieles vorstellbar, wenn auch technisch noch nicht umsetzbar zu sein.

Möglichst kurze Lichtpulse

Internationale Physikergruppen bemühen sich jedenfalls seit vielen Jahren um möglichst kurze Lichtpulse. Ein Durchbruch ist in der Vergangenheit dabei in Wien gelungen: Ein Team um Krausz erzeugte 2001 erstmals einen Impuls im Attosekundenbereich. Das war damals Weltrekord. Der Wissenschafter war in dieser Zeit an der TU Wien. Er würdigt, wenn er darüber spricht, heute noch seinen Mentor, den Physiker und ehemaligen Präsidenten des Wissenschaftsfonds FWF Arnold Schmidt. "Er hat mir alles ermöglicht, was ich damals wissenschaftlich machen wollte."

Krausz erhielt den Wittgenstein-Preis (2002), der alljährlich an etablierte Wissenschafter vergeben wird – und ein Jahr darauf den Ruf nach München. Seit fast eineinhalb Jahrzehnten ist er nun schon Direktor am Max-Planck-Institut für Quantenoptik in Garching und hat mittlerweile auch eine Professur für Experimentalphysik an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. 2015 wurde er erstmals von der Agentur Thomson Reuters als Kandidat für den Physik-Nobelpreis gelistet.Das freut jeden Wissenschafter, auch die Bescheidensten, und macht stolz. Ein Nobelpreis für Krausz wäre der erste naturwissenschaftliche für Österreich seit jenen von Konrad Lorenz und Karl von Frisch im Jahr 1973. Das sei nur erwähnt, um die Zeitdimensionen in der Erfolgschronologie heimischen Wissenschafter zu benennen.

Ferenc Krausz wird jedenfalls heute schon als Vater der "Attosekundenphysik" gewürdigt. Und hat eigentlich nur Grund zur Freude: "Ich arbeite in einem Land, in dem die Grundlagenforschung wirklich gut gefördert wird", meint er über Deutschland.

Ferencz Krausz bei der Konferenz "Falling Walls"
FallingWallsBerlin

Elektronen seien Teilchen, die eine zentrale Rolle in unserem Leben spielen, sagt Krausz. Sie verknüpfen Atome zu Molekülen, und wenn sie Energie abgeben, dann meistens über Licht. In der Laserphysik werden Elektronen mit Laserpulsen zur Bewegung angeregt. Ideal wäre, die Bewegung der Elektronen dann fotografieren zu können – wie einen herunterfallenden Tennisball. Das gelingt laut Krausz noch nicht, obwohl man mit den Attosekunden die ideale zeitliche Auflösung hat. Derzeit könne man nur indirekt Schlüsse auf den Zustand des Systems ziehen, durch das die Lichtblitze dringen. Die Idee ist, diese Bilder mit Röntgen-Lasergeräten herzustellen.

Ressourcen nicht verlagern

Erste Schritte wurden schon im vergangenen Jahrzehnt getan. So würde man sehr genaue medizinische Analysen möglich machen. Krausz hat, als er kürzlich in Wien an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) einen Vortrag hielt, auch von Kooperationen mit Medizinern erzählt. "Ich muss mich bremsen, um nicht alle Ressourcen, die meiner Gruppe zur Verfügung stehen, dorthin zu verlagern", sagt er. Denn: "Ich empfinde eine fast kindliche Freude, wenn diese Anwendungsmöglichkeiten immer klarer und logischer werden." Als sein Team einst den Laserpuls-Weltrekord erzielte, "konnte ich damit nicht rechnen".

Das "Kerngeschäft" sei immer noch: mit Attosekundenpulsen Experimente für die Physik durchzuführen. Wenngleich auch in einer zweiten Bereich Anwendungsideen bestehen: in der Beschleunigung digitaler Elektronik. Ein nie zu stillendes Bedürfnis. Heutige Chips hätten Taktraten wie vor etwa zehn Jahren, mit der Laserphysik sei eine deutliche Beschleunigung möglich. Was das Smartphone in zehn Jahren damit kann, was heute nicht möglich ist? Diese Frage will Krausz nicht beantworten. Und stellt eine Gegenfrage: "Entspricht das, was Ihr Handy heute kann, Ihren Vorstellungen aus der Vergangenheit?", fragt er. Das Nein des Interviewers beantwortet er mit einem "eben". Also lassen wir den Blick in die Zukunft. (Peter Illetschko, 1.4.2018)