Wie sterben Demokratien? Die US-Autoren Steven Levitsky und Daniel Ziblatt haben das in ihrem neuen Buch How Democracies Die an den Beispielen Ungarn, Venezuela und der Türkei und im Hinblick auf die Entwicklung in den USA untersucht. Ihr Resümee: Sie sterben heutzutage nicht durch Putsche oder Revolutionen, sondern durch demokratische Wahlen. Das Beunruhigende dabei: Viele der Erkenntnisse in dieser Untersuchung treffen auch auf Österreich zu.

Demokratien sind verwundbar. Sie werden durch "guardrails", Haltegriffe, geschützt, in Gestalt von demokratischen politischen Parteien, demokratischen Institutionen und demokratischen Normen und Traditionen in der Bevölkerung. Mainstream-Parteien kommt dabei eine besondere Bedeutung zu. Sie sollten im Krisenfall das Wohl des Landes an die erste Stelle setzen und eher ihre demokratischen Rivalen unterstützen als demokratiegefährdenden Extremisten eine Chance geben.

Levitsky und Ziblatt kritisieren insbesondere die Republikaner, deren führende Leute entsetzt über Donald Trumps Kandidatur waren, aber dennoch diesem und nicht Hillary Clinton zum Sieg verhalfen. Auf unsere Breiten übersetzt heißt das: Angela Merkels CDU verbündete sich lieber mit den ungeliebten Sozialdemokraten als mit der Rechts-außen-Partei AfD, Sebastian Kurz ging mit seiner Koalitionspräferenz den entgegengesetzten Weg.

Sehnsüchte nach autoritären Lösungen

Weitere wichtige Schutzbarrieren der Demokratie sind die Institutionen, also an erster Stelle die unabhängige Justiz, aber auch die Presse, die Medien generell, die Interessenvertretungen, die Kultureinrichtungen und die Geheimdienste. Nicht überraschend, dass autoritäre Kräfte, wenn sie die Gelegenheit dazu bekommen, umgehend versuchen, diese Institutionen zu zerschlagen oder umzufärben. "Wer ein Fußballspiel manipulieren will, nimmt sich zuerst die Schiedsrichter vor." Auch dafür gibt es Beispiele, von Peru bis Polen.

Und die Zivilgesellschaft? Krisen, sagen Levitsky und Ziblat, verunsichern die Menschen und lassen Sehnsüchte nach autoritären Lösungen aufkommen. Der Aufstieg der Nazis in Deutschland und Österreich in den 1930er-Jahren war das eindrucksvollste Beispiel dafür, wie schnell demokratische Gesellschaften umgedreht und für diktatorische Strömungen empfänglich gemacht werden können. Heute ist es besonders die Flüchtlingskrise, die viele dazu bestimmt, Prinzipien über Bord zu werfen und auf Rechtspopulisten zu hören.

Gibt es einen Ausweg? Als positives Beispiel für erfolgreiches demokratisches Handeln führen die Buchautoren führende österreichische Konservative an, die vor der letzten Präsidentenwahl Alexander Van der Bellen und nicht Norbert Hofer unterstützt haben. Ferner sehen sie in einem funktionierenden Sozialstaat, einigermaßen gerechter Verteilung von Wohlstand und einem Schulterschluss der Demokraten halbwegs verlässliche "guardrails" für das gefährdete Gut Demokratie. "Wir brauchen nicht Koalitionen von Gleichgesinnten, sondern Koalitionen von politischen Gegnern." Lohnt sich, darüber nachzudenken. (Barbara Coudenhove-Kalergi, 28.3.2018)