Seit ich endlich eine gute Hühner-(und Hahnen!-)Quelle habe, kaufe ich fast jede Woche ein ganzes Tier. Das hat viele Vorteile (ein Tiefkühler voller Suppe, frische Leber zum Frühstück, gedämpfte Hühnerfüße zum Tee ...), stellt mich aber aber auch regelmäßig vor eine Herausforderung: Wie bekomme ich die leidige Brust köstlich? Nur ein einziges Mal habe ich eine gegessen, ohne mir dabei zu denken, dass ein anderer Teil vom Huhn jetzt eigentlich viel besser gewesen wäre: und zwar in Form von japanischem Hühnerbrust-Sashimi. Kurz abgeflämmt, dünn roh aufgeschnitten und mit guter Sauce zum Dippen serviert, kann sie tatsächlich ganz umwerfend köstlich sein. Meist aber ist sie ein trockenes, geschmacksarmes Teil, das schon lange totgegart ist, wenn der Rest des Huhns langsam durch wird, und an dem das Beste die potenziell knusprige Haut ist, die sie bedeckt.

Oft habe ich die Brust daher in der Suppe mitgekocht, gelegentlich zu einer Farce püriert, manchmal einfach am ganzen Vogel gebraten und gehofft, dass irgendein Mitesser so was mag. Nach vermehrten Hahnentänzen und den Hühnerreis-Hainan-Versuchen bin ich dann zu einer Taktik übergegangen, die sich gerade beim Verarbeiten eines ganzen Vogels besonders anbietet: das Pochieren in der eigenen Suppe.

Foto: Tobias Müller

Wenn der Vogel zerlegt, die Suppe gekocht und abgeseiht ist, lege ich die Brüste kurz hinein und lasse sie in der heißen Flüssigkeit ziehen, bis sie eine Kerntemperatur von etwa 60 bis 65 Grad haben. Danach sind sie innen wunderschön rosa, in der Mitte noch ganz wenig roh, für ihre Verhältnisse erstaunlich saftig und, wenn es ein gutes Tier war, voller Geschmack. Als Bonus bekommt die Suppe noch einen finalen Hühnerfleisch-Kick. Wer motiviert ist, zieht die Haut vorher ab und brät sie knusprig.

Am besten schmeckt sie meiner Meinung nach lauwarm bis kühl mit allerlei Gewürzen, die ihren eher zarten Eigengeschmack als Bühne nutzen. Das folgende Rezept habe ich in den vergangenen Wochen besonders oft gemacht. Es stammt aus Fuchsia Dunlops wunderbarem Buch "Every Grain of Rice" und ist eine sehr einfache Art, eine Hühnerbrust köstlich zu bekommen. Das kalte Huhn wird in dünne Scheiben geschnitten und dann mit Nüssen, Kräutern und Sauce bestreut: Sojasauce und Hühnersuppe sorgen für Umami, Chiliöl und Sichuanpfeffer für den Kick, Sesampaste für Konsistenz und beruhigenden Ausgleich, Erdnüsse und Sesamkörner für Konsistenz, und Koriander tut, was er am besten kann, und macht alles noch köstlicher.

Pochiertes Huhn mit Sauce ist ein Standardgericht in weiten Teilen Chinas, die verschiedenen Varianten unterscheiden sich vor allem durch die verwendeten Würzmittel. Diese Variante stammt aus Sichuan, der Provinz im Westen, die bekannt ist für ihre großzügige Verwendung von Chilis und Sichuan-Pfeffer, dem einzigartigen Gewürz mit der prickelnden, die Lippen betäubenden Zitrusnote (in den USA gibt es einen wilden Verwandten mit ähnlichem Effekt, aber das ist eine andere Geschichte). Die Mischung der beiden – scharf und betäubend-prickelnd – ist eine klassische Kombination und wird Ma La genannt. Auch bei diesem Gericht kommt sie zum Einsatz.

Die Sauce ist mehr eine generelle Anleitung als ein Rezept – sie kann fast endlos variiert werden. Ein bisschen Klebreis-Essig verwandelt es in "Huhn mit seltsamem Geschmack", ein weiterer Sichuan-Klassiker; ohne Sesampaste, dafür mit Essig und Knoblauch, wird es das poetisch benamste "Huhn, das den Mund wässrig macht", eine Spezialität aus Chongqing im Zentrum des Landes. Experimentieren Sie und finden Sie heraus, was Ihnen am besten schmeckt.

Hühner- oder, noch besser, Hahnenbrust Sichuan Style

Fuchsia Dunlop nennt das Gericht in ihrem Buch "Claypot Chicken", weil das Huhn in Sichuan oft in Tonschüsseln gedämpft wird. Weil ich meine Hühnerbrust pochiere, habe ich es umbenannt. Die Mengenangaben können leicht nach Geschmack angepasst werden. Wie Sie Chiliöl selber machen, steht hier. Wer es lieber kauft: Laoganma, die Marke mit der ernsthaften Frau auf dem Etikett, vertreibt eine feine, ziemlich scharfe Variante unter dem Namen "Crispy Chilli Oil".

Für zwei Esser als Vorspeise oder Teil eines größeren Menüs brauchen Sie:

2 Hühner- oder Hahnenbrüste

1 Hühner- oder Hahnensuppe, am besten frisch mit der Hühnerkarkasse gekocht

2 Esslöffel helle Sojasauce

3 Esslöffel Sesampaste (Tahini)

6–8 Esslöffel Chiliöl

1 Teelöffel geröstetes Sesamöl

Etwa 15 Sichuanpfefferkörner, kurz in der Pfanne geröstet und dann gemörsert

Ein wenig Zucker

Eine Handvoll gerösteter Erd- oder sonstiger echter oder vermeintlicher Nüsse, gehackt

2 Frühlingszwiebel, grob gehackt

Eventuell eine Prise Sesamkörner

Auf jeden Fall ein wenig Koriander, grob gehackt

Falls Sie daran denken, salzen Sie Ihre Hühner-/Hahnenbrüste drei Stunden vor dem Essen oder gar über Nacht ordentlich. Das macht sie später noch saftiger. Wenn nicht, ist es auch kein Drama.

Foto: Tobias Müller

Ziehen Sie die Haut ab und machen daraus Hühnerhaut-Chips: ausgebreitet in eine Pfanne legen, mit einem Teller beschweren, sodass sie auf den Pfannenboden gedrückt wird, auf niedrige bis mittlere Hitze schalten und so lange braten, bis sie wunderbar braun und knusprig ist, etwa 30 Minuten.

Foto: Tobias Müller

Bringen Sie Ihren Topf Hühnersuppe zum Kochen, dann drehen Sie die Hitze ab. Legen Sie die Hühner-/Hahnenbrüste hinein und lassen Sie sie ziehen, bis sie eine Kerntemperatur von etwa 65 Grad haben – je nach Dicke fünf bis zehn Minuten, ein Küchenthermometer hilft enorm. Sie sollten in der Mitte noch etwas pink sein. Wer sich vor rosa Huhn fürchtet, der kann das Fleisch natürlich auch durchgaren. Schmeckt halt nicht mehr ganz so gut.

Foto: Tobias Müller

Mischen Sie Sesampaste, Sojasauce, Chiliöl, Zucker, Sichuanpfeffer und einen Schuss Hühnersuppe zu einer Sauce.

Foto: Tobias Müller

Schneiden Sie die etwas ausgekühlten Hühnerbrüste in gleichmäßige dünne Scheiben. Legen Sie sie in eine Schüssel, gießen die Sauce darüber und bestreuen alles mit Nüssen, Sesam, Frühlingszwiebeln und Kräutern.

Foto: Tobias Müller

Servieren Sie es zum Beispiel mit einer Schüssel Reis und einigen hausgemachten Wontons in der frischen Hühnersuppe. Wohl bekomm's. (Tobias Müller, 2.4.2018)

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Unverschämt köstlich: Hühnerreis Hainan