Heben, stützen, bücken: Roboter könnten in Zukunft schwere Arbeiten übernehmen.

Illustration: Francesco Cioccolella

Vier weiße Robotergreifarme, bis zur Spitze in Plastik gehüllt, pendeln auf einem Stativ über der Patientin, die auf dem OP-Tisch liegt, weil ihr die Gebärmutter entfernt werden muss. Rund um sie stehen der Anästhesist und die Assistentinnen. Sie alle sind mit der richtigen Lagerung des Körpers beschäftigt.

Vor einem Bildschirm weiter weg sitzt die Operateurin. In Socken. Sie hat so ein besseres Gefühl an den Pedalen, ihre Finger liegen an der Steuerungseinheit, es sieht aus, als würde sie gleich mit einem Computerspiel beginnen. In Wahrheit wird sie gleich zu operieren anfangen. Die Bauchhöhle ist aufgepumpt, sie macht zwei kleine Schnitte und führt die an den Greifarmen von Da Vinci befestigten Geräte ins Körperinnere. Ein Skalpell, eine Zange und eine Kamera. Das Licht im Bauch geht an, die Kamera sendet gestochen scharfe Bilder auf den Bildschirm der Chirurgin. Die Gebärmutterentfernung geht los.

Vorreiter USA

Was futuristisch klingt, ist im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder Wien bei einer Reihe von Bauchoperationen längst Routine: Die Ärzte operieren hier seit 2011 mit Da Vinci. Mit Robotern können bestimmte Operationen effizienter abgewickelt werden, hat man im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder die Erfahrung gemacht.

Der Roboter zittert nicht, verursacht nur sehr kleine Operationsnarben. Die Patienten brauchen deshalb viel weniger Schmerzmittel und erholen sich wesentlich schneller von ihrem Eingriff. Vergangenes Jahr hat man deshalb einen zweiten Operationsroboter angeschafft. Da Vinci bringt auch Vorteile bei urologischen Operationen und bei Eingriffen im Hals-Nasen-Ohren-Bereich.

In den USA ist man beim Einsatz der Robotertechnologie sogar noch weiter. Unternehmensangaben zufolge sind dort bereits rund 2900 Da-Vinci-Roboter in Betrieb, in Europa sind es rund 700.

Roboter für die Pflege

Roboter können aber auch anders. Henry im Wiener Haus der Barmherzigkeit zum Beispiel. Er ist giftgrün, 1,75 Meter groß, und auf seinem durchsichtigen Kugelkopf sitzen zwei Augen. Er ist ein Krankenpflegeroboter, einer, der mit den alten Menschen plaudert und ihnen über ein Display Auskunft gibt, etwa darüber, wie das Wetter ist oder was es zu essen geben wird. Jede Woche leitet der kegelförmige Henry eine Nordic-Walking-Gruppe. Seine Aufgabe: Er spielt bekannte Wanderlieder zur Motivation.

Eine andere Spielart von Pflegecomputer ist Hobbit. Er wurde an der Technischen Universität Wien entwickelt und soll zu Hause bei den Patienten zum Einsatz kommen. Mit seinen Greifarmen kann er Gegenstände vom Boden aufheben. Das soll helfen, Stürze zu vermeiden. Kommt ein gebrechlicher Mensch aus irgendwelchen Gründen doch zu Fall, merkt es dieser Hobbit und verständigt Angehörige oder Helfer.

Roboter erledigen aber auch bereits schwerere Arbeiten in Krankenhäusern: Sie heben Patienten aus ihren Betten und transportieren sie zur Toilette und wieder zurück. Das erleichtert die Arbeit. Wenn man an die Zukunft denkt, drängt sich die Frage auf, ob Roboter eines Tages eventuell sogar die menschlichen Pflegekräfte ersetzen können werden.

Diverse Fehlerfunktionen

Eine Studie des Instituts für höhere Studien (IHS) prognostiziert, dass rund jeder Zehnte der heutigen Jobs mittelfristig durch Digitalisierung oder Automatisierung überflüssig werden wird. Auch der Gesundheitsbereich ist betroffen. Er sehe das aber "ganz entspannt", sagt Thomas Czypionka, der am IHS für Health Economics zuständig ist. Erstens, sagt er, gebe es schon jetzt einen Mangel an Ärzten und Pflegekräften, der künftig noch größer werden wird.

Und selbst wenn manche alte Jobs wegfallen – weil Roboter zur Effizienzsteigerung eingesetzt werden -, dann kämen neue Jobs dazu. Für die Wartung zum Beispiel. Czypionka prognostiziert: "Maschinen werden Menschen unterstützen, indem sie ihnen anstrengende Aufgaben abnehmen. So können sie sich wieder voll und ganz auf die Patienten konzentrieren."

Helmut Kern, Leiter des Krankenhauses der Barmherzigen Brüder, sieht das ähnlich. Die Da Vincis haben bisher keinem einzigen Mitarbeiter den Arbeitsplatz gekostet. Im Haus der Barmherzigkeit ist das genauso. Henry könnte sogar Arbeitsplätze schaffen, für Techniker, um Navigationsprobleme und diverse Fehlerfunktionen zu beheben.

Robotik lernen

Damit diese Maschinen funktionieren, sagt Alexander Nemecek, Robotik-Experte an der Fachhochschule Wiener Neustadt, "braucht es sehr viel Entwicklungsarbeit" und Fachleute, die sich auskennen. "Deshalb steigt auch der Bedarf an Hightech-Ingenieuren", sagt Nemecek, eine Tatsache, die sich auch an den neuen Lehrgängen an Universitäten und Fachhochschulen ablesen lässt.

An der FH Wiener Neustadt startet demnächst das neue Bachelorprogramm "Robotik". Studierende lernen, wie man Roboter optimiert und programmiert. Nemecek wird den Studiengang leiten. "Roboter brauchen runde Formen und eine feine Sensorik, damit sie Menschen nicht verletzten und ihre Bewegung rechtzeitig stoppen." Auch müssen sie leicht zu bedienen sein und mit den Menschen kommunizieren.

Denn noch verfügen diese Roboter nicht über die künstliche Intelligenz, die sie zu selbstständigen Einheiten macht. Und selbst wenn sie eines Tages klüger werden: Auch dann wird es Menschen brauchen, die sie warten und darauf achten, dass ihnen der Strom niemals nicht ausgeht. (Lisa Breit, 12.4.2018)