Robert Sapolsky: "Gewalt und Mitgefühl. Die Biologie des menschlichen Verhaltens". 1024 Seiten / 39,10 Euro. Hanser-Verlag 2017

Cover: Hanser Verlag

Der Mensch aus der Sicht eines Affenforschers: Wer sich an diesem Umstand nicht stößt und zudem genau wissen will, wie das in der Natur mit der Macht in einer Gruppe funktioniert, sollte diesen dicken Wälzer des Neurobiologen Robert Sapolsky lesen. Er geht das Problem von der Pike auf an und gibt dafür auch seine persönliche Motivation preis.

Als Mensch ist der Buchautor nämlich ängstlich und pessimistisch, und das war die Triebfeder, schreibt er, sich mit zwei fundamentalen Gefühlen des Menschen auseinanderzusetzen. Für europäische Leser vielleicht ungewohnt, ist "Mitgefühl und Gewalt" in nonchalantem Plauderton gehalten, und vielleicht ermöglicht gerade der das scheinbar mühelose Verstehen der hochkomplexen Zusammenhänge.

Jedenfalls geht es um die Klärung grundsätzlicher Dinge im Zusammenleben. Wen definieren Menschengruppen als "wir" und wen als "die anderen". Aus dieser Unterscheidung ergeben sich soziale Verhaltensweisen, die sich über Jahrtausende sogar ins Genom des Menschen eingeprägt haben – mit Auswirkungen aufs Gehirn und all seinen Botenstoffen. Im Kapitel Endokrinologie gibt es diesbezüglich Nachhilfe für Laien.

Letztendlich geht es aber darum, so vielschichtige Phänomene wie Krieg, Frieden und Politik in einer abstrahierten Form zu erklären. Dass ihm das nur sehr bedingt gelingen kann, war Sapolsky von Anfang an wohl bewusst. Eindeutige Antworten fehlen, doch das Wissen über die geheimen Triebkräfte hat nach dieser Lektüre eine vollkommen neue Dimension erlangt. (Karin Pollack, CURE, 22.4.2018)