Deutlich sichtbare Zahnschmelzveränderungen (lineare Zahnschmelzhypoplasien) an den vorderen Zähnen sowie erste Anzeichen einer Pfeifenraucherfacette im Bereich des Eckzahns.

foto: J. Kreuzer, ÖAI@ÖAW

Stark ausgeprägter, schwarz gefärbter Zahnstein durch den Konsum von Kautabak.

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Mehrfach gebrochene, stark aktiv entzündete Marschfraktur des Mittelfußknochens.

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Schussverletzung am Schädel durch eine Musketenkugel.

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Großer Abszess an der Wurzel des ersten Backenzahns mit Entzündungsspuren, die darauf hindeuten, dass der Prozess zum Zeitpunkt des Todes noch aktiv war.

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Schädel eines 25 bis 35 Jahre alten männlichen Individuums mit gebrochener Nase sowie Spuren von Entzündungen rund um die Nasenöffnung, am Jochbein und im Bereich der Augenbrauen. Die zahlreichen Entzündungen im Bereich des Schädels könnten für Skorbut sprechen.

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Freilegung eines Grabes am Schlachtfeld von Wagram.

foto: Novetus GmbH/ASFINAG

Wer an einem schönen Sommertag schon einmal im Marchfeld war, weiß, wie drückend heiß es hier werden kann. Der sonst so windige Landstrich lässt an den heißesten Tagen höchstens ein laues Lüftchen zu. Erschwerte Bedingungen, wenn man als Anthropologin die Überreste der dort am 5. und 6. Juli 1809 bei der Schlacht von Wagram verstorbenen Soldaten ausgräbt. Noch sehr viel härtere Bedingungen, wenn man im 19. Jahrhundert wochenlang in voller Militärausrüstung mit tausend anderen Männern auf engstem Raum auf den Einzug in die Schlacht wartet. Über die Hintergründe der Ausgrabungen auf dem Schlachtfeld wurde bereits vergangene Woche im Archäologieblog berichtet, diesmal beleuchten wir, welche Informationen die Skelette der Soldaten über ihr Leben und ihren Tod bewahrt haben.

Gezeichnet von den Strapazen

Die von uns geborgenen Überreste sind Zeugen der dort herrschenden widrigen Verhältnisse. Die bis zum heutigen Tag im Bioarchäologielabor des Österreichischen Archäologischen Instituts der Österreichischen Akademie der Wissenschaften untersuchten Toten zeigen in vielen Fällen Anzeichen von chronischem Vitamin-C-Mangel (Skorbut), starke Entzündungen im Mundraum, die bis in die Nasenöffnungen und in die Nebenhöhlen gewandert sind, massive aktive Abszesse im Kiefer sowie chronische Hirnhaut- und Lungenentzündungen.

Obwohl die meisten Verstorbenen gerade einmal zwischen 18 und 30 Jahre alt waren, zeigen ihre Gelenke bereits starke Abnützungserscheinungen. Die langen Märsche und schweren Lasten, die sie auf ihren Wegen zu tragen hatten, spiegeln sich auch deutlich an ihren Knochen wider. Starke Entzündungen an den Beinen und Füßen konnten bei fast allen Individuen nachgewiesen werden. Zum Teil waren die Mittelfußknochen durch eine zu starke Beanspruchung im Sinne einer Marschfraktur gebrochen, in manchen Fällen sogar mehrmals, da einfach – trotz vermutlich sehr großer Schmerzen – weitermarschiert wurde.

Anders als bei der Schlacht um Aspern, die nur wenige Wochen vor der Schlacht von Wagram stattfand, wurden an den verstorbenen Soldaten zahlreiche Teile ihrer Ausrüstung und ihrer Kleidung gefunden. So konnten wir einige der Individuen als Angehörige der französischen Armee identifizieren und zuordnen, zu welchem Regiment sie gehörten. Da alle bisher untersuchten Skelette zahlreiche Krankheitszeichen zeigen und hinsichtlich des Gesundheitszustands keine deutlichen Unterschiede sichtbar waren, lässt sich daraus schließen, dass die Lagerbedingungen sowohl auf der französischen als auch auf der österreichischen Seite gleichermaßen fürchterlich gewesen sein müssen.

Schussverletzung als häufigste Todesursache

Der Einzug in die Schlacht war daher für viele dieser jungen Männer kein besonders glorreicher. Fiebernd und von zahlreichen Entzündungen und Krankheiten gezeichnet, standen sie der gegnerischen Armee gegenüber. Für einige von ihnen war der Tod im Kampf wohl auch eine Verkürzung ihres Leids, da sie vielleicht ohnehin wenige Tage später an den Folgen ihrer Erkrankungen gestorben wären. Viele Männer verloren an diesen Tagen auf beiden Seiten ihr Leben. Bei den von uns untersuchten Toten konnten sehr häufig durch Musketenkugeln verursachte Verletzungen als Todesursache identifiziert werden, insbesondere im Bereich des Schädels. In einigen Fällen wurde die Kugel sogar noch im Schädel gefunden. Auch stumpfe Kopfverletzungen sowie Schusswunden im Brustraum konnten als Todesursache nachgewiesen werden.

Mit der Kleidung am Leib bestattet

Als die zwei Tage dauernde Schlacht zu Ende war, ließ man die Verstorbenen an Ort und Stelle liegen, wo sie erst Tage später von der einheimischen Bevölkerung bestattet wurden. Von einer Bestattung im herkömmlichen Sinne kann man hier jedoch nicht sprechen. Die Art und Weise, wie wir die Skelette in den Gräbern vorfanden, lässt den Schluss zu, dass sie einfach in die bereits vorhandenen Wohngruben geworfen und zugeschüttet wurden. Zum Teil hatten sie auch noch persönliche Gegenstände bei sich, wie ihren Geldbeutel, einen Ring am Finger oder einen Löffel im Stiefel. Die Anzahl der Verstorbenen pro Grube lag bisher bei maximal sechs Personen, Einzelbestattungen konnten aber ebenfalls nachgewiesen werden.

Ein schweres Leben auch schon vor dem Krieg

Aber auch über ihr Leben vor dem Krieg lassen sich bereits einige Aussagen treffen. Das häufige Auftreten von Rachitis (chronischer Vitamin-D-Mangel, der im Kindesalter zu Deformationen der Knochen führen kann) und die deutlich ausgeprägten Zahnschmelzveränderungen an den Zähnen (lineare Zahnschmelzhypoplasien), die durch eine Störung während der Bildung der Zähne entstehen (physischer Stress durch chronische Krankheiten, Unterernährung et cetera), lassen darauf schließen, dass die verstorbenen Soldaten zu großen Teilen aus den ärmeren Schichten der Bevölkerung stammten und bereits im Kindesalter an diversen Mangelerscheinungen litten.

An den Zähnen einiger Soldaten konnten aber auch Spuren von ausgeprägtem Tabakkonsum nachgewiesen werden. Zum Teil spiegelte sich dieser in Form von starkem, schwarz verfärbtem Zahnstein an den vorderen Zähnen wider (Kautabak). Es konnten aber auch sogenannte "Pfeifenraucherfacetten" an den Zähnen identifiziert werden, die aufgrund des jungen Alters der Individuen auf einen sehr starken und schon frühen Konsum von Tabak schließen lassen. (Hannah Grabmayer, Michaela Binder, 5.4.2018)