Die Kalkmagerwiese ist in ihrem Artenreichtum gefährdet. Die frühe Mahd dünnt die Pflanzenvielfalt aus.

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Mit einem elektrobetriebenen Bürstengerät wird das Saatgut aus der Wiese ausgekämmt. Diese Form ist sehr schonend, der Bestand wird kaum im Ertrag beeinträchtigt.

Foto: Günter Jaritz

Der Wiesensalbei hat einen Rückgang zu verzeichnen. Intensive Düngung und zu frühe Mahd setzen der von Hummeln bestäubten Pflanze zu.

Foto: Günter Jaritz

Salzburg – Artenreiche, blühende Blumenwiesen und Straßenböschungen sind selten geworden in Österreich. Durch die intensive Nutzung von Wiesen, Weiden und Grünflächen werden Blütenpflanzen zur Mangelware. Die klassische grüne Fettwiese, nährstoffreich aber artenarm, dominiert das Landschaftsbild. Seit den 1960er-Jahren hat Österreich 89 Prozent der Wiesenarten verloren.

Das Projekt "Wild und kultiviert" will dem entgegenwirken und streut ökologisch wertvolle Wiesen aus. Das Interreg-Projekt erstreckt sich über den Lungau, Mitterpinzgau und das Berchtesgadener Land. Es fördert die Biodiversität gemeinnütziger Flächen und wirkt so dem Artenschwund entgegen. Für die Region charakteristisches Wiesensaatgut wird vermehrt und erhalten.

"Wir sammeln die wertvollen Bestände und stellen dann Mischungen zusammen, damit die Vielfalt der Region wieder abgedeckt ist", sagt Projektleiter Günter Jaritz von der Natur- und Umweltschutzabteilung des Landes Salzburg. In einem Umkreis von maximal 15 Kilometern und 300 Höhenmetern wird das Saatgut wieder ausgebracht. So könne die genetische Variabilität, die es in der Natur gibt, in diesen regionalen Wiesentypen wieder abgebildet werden, erklärt Jaritz.

Eine Studie der TU München, des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung und der Unis Tübingen und Münster zeigt, dass sich Blütenpflanzen je nach Herkunftsgebiet genetisch unterscheiden. Manche Weidenarten werden sogar von anderen Hummelarten bestäubt. "Wenn man keine regionalen Arten ausbringt, kommen die Bestäuber durcheinander", nennt Jaritz ein Beispiel.

Wiesensaatgut auskämmen

"Wir produzieren bedarfsorientiert", sagt der Projektleiter. Wenden sich Gemeinden oder Planer an das Projekt, werden regionale Samen ausgesät. Ein Großprojekt laufe derzeit mit der Asfinag bei der Einhausung Zederhaus. Die Oberfläche des Lärmschutztunnels im Lungau wird begrünt. "Fast jede Fläche ist als artenreiche Blumenwiese geeignet – vom Kreisverkehr bis zum Straßenbegleitgrün", betont Jaritz.

Langfristig soll ein regionaler Saatgutverkauf aufgebaut werden. Die Projektmitarbeiter arbeiten eng mit Landwirtschaftsbetrieben vor Ort zusammen. Die Bauern werden in der Saatgutbeerntung ausgebildet. Mit einem elektrobetriebenen Bürstengerät wird das Wiesensaatgut ausgekämmt. Diese Form sei sehr schonend, der Bestand werde kaum im Ertrag beeinträchtigt, versichert der Ökologe. Daher gebe es auch eine große Akzeptanz bei den Landwirten.

Die Bauern müssen für den Wiesenschutz auch bereit sein, später zu mähen. Derzeit werde tendenziell viel zu früh noch während der Blüte gemäht, erklärt Jaritz, der selbst einen Hof im Pinzgau betreibt. Bis die Samen ausgereift seien, brauche es weitere zwei bis drei Wochen. Schon die spätere Mahd auf Grünflächen lasse wieder Blütenmeere entstehen.

Seit den 60er-Jahren seien die Wiesen in Österreich immer mehr intensiviert worden. Durch die industrielle Grünlandbewirtschaftung gebe es um 89 Prozent weniger Wiesenarten, schildert der Landschaftsökologe. Die restlichen elf Prozent sind weiter in Gefahr. Viele Flachlandwiesen müssen als Schutzgebiete ausgewiesen werden. Salbeiwiesen etwa sind heute massiv gefährdet.

Durch die Klimaerwärmung werden Wiesenflächen auch früher reif. Doch viele Blütenpflanzen würden bei der intensiven Bewirtschaftung nicht mitkommen. "Manche Wiesen werden drei- bis sechsmal pro Jahr gemäht. Das halten nur wenige Gräser aus", sagt Jaritz. Auf Wiesen mit hoher Biodiversität kommen bis zu 60 verschiedene Pflanzenarten vor. Eine Wiese mit vier Schnitten habe nur noch zehn bis 15 Arten. Manche Landwirte müssten sogar mit Standardsaatgut nachsäen.

Vögel und Bienen in Gefahr

Artenreiche, blühende Wiesen werten nicht nur das Landschaftsbild optisch auf, sie sind auch ökologisch äußerst wertvoll: Sie bieten überaus wichtigen Wildbestäubern wie Honigbienen, Wildbienenarten, Schmetterlingen und zahlreichen Käferarten eine Nahrungs- und Lebensgrundlage. "Je artenreicher der Wiesenbestand, desto artenreicher sind auch die Insekten, und von denen leben die Vögel", erklärt Jaritz die ökologischen Zusammenhänge.

Viele Pflanzenarten sind auf spezialisierte Insekten als Bestäuber angewiesen. Fehlen die Pflanzen, sterben die Insekten aus. Für viele Vögel sei durch die Homogenisierung der Landschaft die Nahrungsgrundlage verschwunden, und auch das Gelege vieler Bodenbrüter werde durch die frühe Mahd zerstört. (Stefanie Ruep, 5.4.2018)