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Ein aus Deutschland abgeschobener Afghane verlässt der Airport in Kabul, laut dem französischen Asylgericht eine Stadt "hochintensiver blinder Gewalt"

foto: ap/massoud hossaini

Paris/Berlin/Brüssel/Wien – Ein jüngst veröffentlichtes Urteil des Asylberufungsgerichts in Paris gilt in Frankreich als richtungsweisend. Seine Begründung ist auch über die französischen Grenzen hinaus von Interesse. Denn dem Berufungswerber, einem 27-jährigen Afghanen, wurde mit dem Argument Schutz gewährt, dass ihm in Kabul ganz aktuell und "schon aufgrund seiner Anwesenheit im Gebiet dieser Stadt" schwerwiegende Gefahr drohe.

Als Beleg führt die Cour nationale du droit d'asile (CNDA) "blutige Anschläge" an, die zeitnah, also im heurigen Jahr, stattfanden. Etwa eine Attacke der Taliban am 27. Jänner 2018, als eine mit Sprengladungen versehene Ambulanz in einem Marktviertel explodierte, wobei 103 Menschen getötet und 235 verletzt wurden – sowie weitere Angriffe mit Toten vier Tage davor und zwei Tage danach.

Kabul am gefährlichsten

Infolge des Konflikts zwischen der von der Nato-Mission "Resolute Support" unterstützten Afghanischen Nationalarmee und bewaffneten Akteuren wie den Taliban sei "Kabul die am meisten von Selbstmordanschlägen und komplexen Attentaten betroffene afghanische Stadt". Der Berufende, ein abgelehnter Asylwerber, erhalte daher subsidiären Schutz. Das Urteil könnte vor dem Conseil d'Etat, dem obersten französischen Verwaltungsgericht, noch beeinsprucht werden.

Mit der Einschätzung Kabuls als Ort "hochintensiver blinder Gewalt" widerspricht die französische CNDA der Argumentation österreichischer und deutscher Asylberufungssenate, die Abschiebungen genau dorthin als zumutbar erachten. Auf Grundlage von Berichten aus früheren Jahren wird die afghanische Hauptstadt hier für junge Männer als sichere innerstaatliche Fluchtalternative angesehen – in die heuer aus Österreich laut Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) forciert abgeschoben werden soll.

"Wahres Lotteriespiel"

Überhaupt ist der Umgang mit Asylwerbern aus Afghanistan europaweit höchst widersprüchlich: "Ein wahres Lotteriespiel", sagt Villads Zahle vom paneuropäischen Asyl-NGO-Zusammenschluss Ecre. So habe die Anerkennungsrate, beide Instanzen sowie Asyl- und subsidiärer Schutz zusammengenommen, 2017 bis September in der Schweiz 91,4, in Österreich 70,7, in Schweden 44, in Bulgarien 1,2 Prozent betragen. (Irene Brickner, 6.4.2018)