Asyl ist ein spezifischer Ausdruck von Gastfreundschaft.

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Das Asylrecht ist kein metaphysisches Recht, sondern gehört zu den ältesten Erscheinungsformen von Menschenrechten. Asyl ist ein spezifischer Ausdruck von Gastfreundschaft, seine Wurzeln liegen im sakralen Bereich. Religionshistoriker und Völkerkundler finden als Ausgangsform des Asyls unverletzliche, im Götterschutz stehende Orte wie Haine, Altäre oder Tempel, wo Verfolgte gleich welcher Herkunft Sicherheit finden. In der griechischen Antike fanden Gottesfriede und Asylrecht in religiösen Zentren eine gesicherte Örtlichkeit. In das römische Recht wurde durch Antoninus (86–161) das Asylrecht für misshandelte Sklaven eingeführt. Im europäischen Mittelalter wurden im 11. und 12. Jahrhundert wiederholt Vorschriften erlassen, wonach Kirchen und kirchlich privilegierte Orte und Gebäude allen sich dort sammelnden Personen Asyl gewähren können.

Politische Interessen

Den Kontext der Menschenrechte, speziell des Asylrechts mit den historischen Epochen und der geografischen Lage, hat Blaise Pascal (1623–1662) besonders hervorgehoben. Der katholische österreichische Rechtsgelehrte und Friedenskämpfer Heinrich Lammasch (1853–1920) hat Ende des 19. Jahrhunderts ein bleibendes Standardwerk über das mit der Auslieferungspflicht verknüpfte Asylrecht veröffentlicht. Er benennt ausdrücklich die politischen Interessen, die bei der Asylfrage entscheidend sind:

"Ueberhaupt werden wir die Frage, ob die Staaten wegen im Auslande verübter relativ-politischer Delicte zur Auslieferung der Urheber derselben verpflichtet sind, nur dann in einer den höchsten Interessen der betheiligten Staaten entsprechenden Weise beantworten, wenn wir uns nicht ausschließlich von criminalistischen Erwägungen leiten lassen." Wir werden vielmehr die Lehren der Geschichte und die Anforderungen der praktischen Politik niemals aus den Augen verlieren dürfen. Beherzigen wir diese, dann werden wir aber nicht selten Gewaltthaten für gerechtfertigt oder doch mindestens für entschuldigt erachten, in Betreff deren der Criminalist sein unerbittliches Schuldig sprechen müsste. Kein vorurtheilsfreier Kenner der Weltgeschichte wird es leugnen, dass Revolutionen und Reactionen, welche für den Strafrichter nichts als eine Folge schwerer Verbrechen darstellen, für die Entwicklung so manchen Volkes die Ausgangspunkte neuen, frischen, blühenden Lebens geworden sind".

Für Lammasch steht außer Zweifel:

"Vom Standpunkte des modernen Völkerrechtes kann daher eine allgemeine Verpflichtung der Staaten zur Auslieferung von Individuen, die sich an einem hochverrätherischen Unternehmen gegen einen fremden Staat betheiligt haben, weder wegen dieser Betheiligung als solcher, noch auch nur wegen der im Verlaufe derselben von ihnen individuell verübten Gewalthaten anerkannt werden".

Gradmesser bürgerlicher Demokratie

In ausdrücklicher Anlehnung an Lammasch hat sich Otto Bauer (1881–1938) im Herbst 1919 mit Auslieferung und Asylrecht rechtshistorisch und rechtspolitisch befasst. Von den Wiener Justizbehörden wurde die Auslieferung geflohener Kommunisten wie Bela Kun (1886–1939) und Georg Lukács (1885–1971) mit dem Vorwand, diese hätten ein "gemeines Verbrechen" begangen, vorbereitet. Otto Bauer bezeichnet das Asylrecht als Gradmesser bürgerlicher Demokratie.

In der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1948 lautet Artikel 14:

"1. Jeder Mensch hat das Recht, in anderen Ländern vor Verfolgungen Asyl zu suchen und zu genießen. 2. Dieses Recht kann jedoch im Falle seiner Verfolgung wegen nichtpolitischer Verbrechen oder wegen Handlungen, die gegen die Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen verstoßen, nicht in Anspruch genommen werden."

Artikel 5 dieser Erklärung besagt:

"Niemand darf der Folter oder grausamer oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden."

Diese Menschenrechtsartikel hat durch die Antifolterkonvention der Uno vom 10. Dezember 1984, Artikel 3 Absatz 1, eine Ergänzung erhalten:

"Ein Vertragsstaat darf eine Person nicht in einen anderen Staat ausweisen, abschieben oder an diesen ausliefern, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass sie dort Gefahr liefe, gefoltert zu werden."

Asylrecht als Grundrecht

Das Asylrecht als Grundrecht ist in verschiedenen Verfassungen entsprechend festgeschrieben. Die in der Hauptsache von Hans Kelsen (1881–1983) geschriebene österreichische Bundesverfassung nimmt auf das Asylrecht nicht ausdrücklich Bezug. Wohl aber hat Christian Broda (1916–1987) sehr viel für eine humanistische Positionierung des Asylrechts in Österreich getan.

Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (23. Mai 1949) schreibt in der Fassung von 1976 in Artikel 16 (2) vor:

"Kein Deutscher darf an das Ausland ausgeliefert werden. Politisch Verfolgte genießen Asylrecht."

Asyl und Folter

Ende der 70er- und in den 80er-Jahren des vorigen Jahrhunderts wurden in der BRD allerdings Asylgesuche türkischer Flüchtlinge, insbesondere kurdischer Herkunft, regelmäßig abgelehnt, während Flüchtlinge aus den osteuropäischen Staaten selbst dann bleiben durften, wenn ihnen das juristische Asyl verweigert wurde. Türkischen Flüchtlingen wurde in der BRD das Asyl 1981 selbst dann verwehrt, wenn ihnen in der Türkei Folter drohte. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof in Mannheim stellte mit einem Urteil vom 20. November 1981 fest, dass die im Fall der Rückkehr zu befürchtende Folterung eines Kurden asylrechtlich nicht relevant sei, da sie nicht auf verwerflicher politischer Gesinnung des türkischen Staates bestehe:

"Es komme vielmehr auch bei diesen [d. s. Folterungen] von staatlichen Stellen ausgehenden Rechtsgutsverletzungen entscheidend auf die Motivation der Verfolger an."

Der Verwaltungsgerichtshof in Mannheim gab mit Beschluss vom 27. Mai 1982 der deutschen Asylpraxis interessengelenkte Interpretationsmöglichkeiten:

"Nicht jeder Verstoß gegen das Gebot, die Menschenwürde zu achten, sei asylrechtlich relevant. Würden Personen, gegen die wegen des Verdachts ermittelt werde, ein Staatsschutzdelikt begangen zu haben, gefoltert oder sonst misshandelt, so liege darin in aller Regel keine politische Verfolgung im Sinne des Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG in einem Land, in dem Folter und Misshandlungen ein allgemeines Phänomen seien, das nicht nur politisch aktive Personen treffe."

Die deutschen Justizbehörden sind wie so oft in ihrer Geschichte Handlanger deutscher Herrschaftsinteressen! (Gerhard Oberkofler, 6.4.2018)