Der Abbruch von Gebäuden, die vor 1945 errichtet wurden, wird in Wien künftig erschwert. Die Immobilienbranche ist nicht begeistert.

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Das Wiener Stadtbild ist geprägt von seinen Gründerzeithäusern. Wird ein solches abgerissen, sorgt das oft für Aufregung. Bisher galt aber: Steht ein Gebäude nicht in einer Schutzzone, dann ist sein Abriss auch nicht bewilligungspflichtig. Genaue Zahlen dazu, wie viele Gründerzeithäuser pro Jahr aus Wien verschwinden, gibt es daher, wie berichtet, nicht.

Grünen-Gemeinderat Christoph Chorherr sprach bei der Präsentation der Bauordnungsnovelle am Freitag aber von 115 Objekten, die im Vorjahr abgerissen wurden, Tendenz in den letzten Jahren steigend. Das soll sich nun ändern: "Dieser bewilligungsfreie Abbruch wird der Vergangenheit angehören", kündigte der grüne Planungssprecher an.

Die Novelle, die nun noch in eine interne und externe Begutachtung gehen wird, im Oktober im Landtag beschlossen werden und mit dem Jahreswechsel in Kraft treten soll, sieht nämlich vor, dass fortan für alle Gebäude, die vor 1945 errichtet wurden, eine Bewilligung der MA 19 (Architektur und Stadtgestaltung) nötig sein wird. Diese muss bestätigen, dass es kein öffentliches Interesse am Erhalt des Bauwerks gibt.

Einzelne Gebäude als Schutzzonen

"Das heißt nicht, dass jedes Gründerzeithaus erhalten werden muss", so Chorherr. "Aber man kann nicht einfach hergehen und mit der Abrissbirne hineinfahren." Diese Neuerung werde ein Anreiz für Eigentümer sein, zu sanieren anstatt abzubrechen. "Ich gehe davon aus, dass die Abbruchszahlen mit Inkrafttreten zurückgehen werden."

Künftig sollen auch einzelne Gebäude als Schutzzonen ausgewiesen werden – bisher war dafür ein schützenswertes Ensemble nötig. Dass mancher Hauseigentümer nun Tempo machen wird, um sein Haus noch vor Inkrafttreten der Neuerung abzureißen, sei vorab natürlich diskutiert worden, so Chorherr. "Es kann schon sein, dass das eine oder andere Haus fällt, das aber anders auch gefallen wäre", so Chorherr. Der Rechtsstaat und vor allem das strenge Mietrecht würden das aber wohl in den meisten Fällen verhindern.

Kritik aus der Immo-Branche

Und auch die "technische Abbruchreife", auf die bisher so mancher Eigentümer eines in die Jahre gekommenen Hauses gesetzt haben dürfte, soll nur noch dann gelten, wenn die Instandsetzung eines Bauwerks technisch unmöglich ist, was "de facto" zu einer Abschaffung der technischen Abbruchreife führen soll.

Vonseiten der Immobilienwirtschaft wird das Vorhaben kritisch gesehen. "Schützenswertes gehört geschützt. Aber ein generelles Unterschutzstellen sämtlicher Gebäude mit Baujahr vor 1945 ist nicht zielführend", sagt etwa Zinshausexperte Eugen Otto, Geschäftsführer von Otto Immobilien. Drastischer formuliert es der Österreichische Haus- und Grundbesitzerbund in einer Aussendung: "Hätte es Derartiges schon zur Gründerzeit gegeben, so hätten wir heute keine prächtige Ringstraße, sondern immer noch die Stadtmauer."

Kritik übt auch Hans Jörg Ulreich, Bauträgersprecher in der Wirtschaftskammer: "Es ist schade, dass sich in einen sonst konstruktiven Entwurf eine rein populistische Besänftigungsmaßnahme hineingeschwindelt hat. Gründerzeithäuser kann man nicht durch die Änderung der Bauordnung erhalten." Nötig seien viel eher Maßnahmen, die die Hausbesitzer bei der Sanierung unterstützen, etwa eine Erleichterung von Dachgeschoßausbauten und der Verdichtung der Höfe. Zudem brauche es Anreize im Mietrecht.

Aus für gewerbliches Kurzzeitvermieten

Weitere Eckpunkte der Novelle: In Teilen der Stadt will die Politik dem gewerblichen Kurzzeitvermieten auf Plattformen wie Airbnb einen Riegel vorschieben, nämlich in jenen Bereichen, die im Flächenwidmungs- und Bebauungsplan als Wohnzonen definiert sind. So soll festgeschrieben werden, dass die Nutzung einer Wohnung für gewerbliche Zwecke "nicht mit der Widmung Wohnen im Einklang steht". Die Regelung wird aber nicht für Private gelten, die ihre Wohnung temporär über die Plattform vermieten.

Der Fokus der Novelle liege auf einfacherem, schnellerem und kostengünstigerem Planen und Bauen, erklärte Wohnbaustadtrat Michael Ludwig (SPÖ) bei der Präsentation. Beispielsweise soll künftig bei Bauvorhaben, die die Bauklasse 1 betreffen, eine mündliche Bauverhandlung entfallen, wenn es keine berechtigten Einwände der Nachbarn gibt. Häuslbauer könnten sich so rund 8.000 Euro und viel Zeit sparen, rechnete Ludwig vor.

Auch bei der Stellplatzverpflichtung ist eine Erleichterung vorgesehen: Bis 2014 musste pro Wohnung ein Stellplatz errichtet werden, mittlerweile ist es ein Stellplatz pro hundert Quadratmeter Wohnnutzfläche.

Nicht genutzte Parkplätze

Aufgrund der älteren Regelung gebe es teilweise nicht genutzte Parkplätze, die unter Umständen aufgelassen werden dürfen, so Ludwig. Ein Stellplatz pro 100 Quadratmeter Wohnnutzfläche muss aber weiterhin vorhanden sein. Eine solche Neuberechnung der nötigen Stellplätze soll auch bei Sanierungen mit Dachgeschoßausbau möglich sein.

Vorgesehen ist auch die schnellere Widmung und Mobilisierung von Bauland. Beispielsweise sollen landwirtschaftlich genutzte Flächen in U-Bahn-Nähe künftig einfacher herangezogen werden, wenn der Eigentümer eine gleichwertige Fläche bekommt und so in seinem Recht bleibt, rechtliche Details seien dazu aber noch auszuformulieren, so Chorherr: "Mit einem gewissen Nachdruck ist das so umsetzbar."

Klimaschutz und leistbares Wohnen

In der Bauordnungsnovelle wurden zudem leistbares Wohnen und der Klimaschutz als Ziele der Stadtplanung verankert. Das würde es beispielsweise bei künftigen städtebaulichen Verträgen – also jenen Verträgen, die die Stadt mit Entwicklern von Großprojekten abschließt – erleichtern, diese Aspekte von Anfang an mitzudenken.

Im Neubau sollen künftig zudem strengere Klimaschutzanforderungen gelten. "Nach dem vagen Konzept der Bundesregierung vor einigen Tagen macht Wien Nägel mit Köpfen", so Chorherr. Ölheizungen soll es im Neubau künftig nicht mehr geben, zentrale Gasanlagen nur noch in Verbindung mit Solarenergie.

Die Oppositionsparteien ÖVP, Neos und FPÖ übten in einer gemeinsamen Aussendung Kritik an SPÖ und Grünen, weil sie zwar um Vorschläge für die Novelle gebeten worden waren, diese aber dann nie diskutiert worden seien. (Franziska Zoidl, 6.4.2018)