Bahnreisende müssen dieser Tage ganz stark sein. Haben sie sich vor Reiseantritt bereits auf ein wohlverdientes Glas kühles Ottakringer gefreut, dürfen sie nun an Bord der ÖBB nur noch zwischen den steirischen Bieren Gösser oder Puntigamer wählen. "Viele Pendler sind verärgert, weil sie kein Ottakringer mehr bekommen", erzählt ein Servicemitarbeiter. Er hat heute den zweiten Arbeitstag bei seinem neuen Dienstgeber "Don", der am 1. April das ÖBB-Catering übernommen hat.

Das neue Essen scheint im Gegensatz zum Bier besser anzukommen, wie der Mitarbeiter sagt. Auch wenn trotz der Mittagszeit kaum jemand eine warme Mahlzeit bestellt. Zwei Geschäftsreisende lassen sich aber zumindest zu einem Paar Sacherwürstel hinreißen. Da könne man nicht viel falsch machen, wird zwischen Gesprächen über Quartalszahlen und den nächsten Thailandurlaub gewitzelt. Den Mitarbeiter kümmern derlei Seitenhiebe nicht. Er bleibt freundlich und serviert professionell Wurst und Semmel.

Seit 1. April gibt es im Bordrestaurant Speisen von "Don".
Foto: Alex Stranig

Gut sortierte Weinkarte

Dabei ist die Auswahl an Speisen des neuen Caterers beachtlich. Die für einen Speisewagen ungewöhnlich gut sortierte Weinkarte (Bio-Grüner-Veltliner von Jurtschitsch oder Gemischter Satz von Mayer am Pfarrplatz) tröstet sogar über die Tatsache hinweg, dass edle Bordrestaurants mit strahlend weißen Tischdecken und akkurat gefalteten Stoffservietten Geschichte sind – zumindest in Railjet-Zügen. Bistros mit dunkelgrauen Tischen und roten Lederbänken sind offensichtlich zeitgemäßer und lassen sich auch leichter reinigen. Es gibt kaum etwas, was ein feuchter Fetzen nicht wieder gut machen könnte.

Vor ein paar Jahren sah das noch anders aus. Bis 1996 wurden die Speisewagen von der französischen Firma Compagnie Internationale des Wagons-Lits et du Tourisme bereitgestellt, die auch die Bordrestaurants in berühmten Zügen wie dem Orientexpress oder dem Train Bleu betrieben hatten. 2001 übernahm Gastronom Josef Donhauser mit seiner Firma E-Express das Catering auf österreichischen Zügen, bis er 2012 von Do & Co abgelöst wurde. Dieser servierte bis Ende März unter der Marke "Henry am Zug" Speisen und Getränke an Bord.

Mit "Don" kehrt Josef Donhauser nun wieder ins Zugcateringgeschäft zurück. Und er hat eine Mission: Zugreisende sollen frische und regionale Produkte zu einem fairen Preis bekommen – eine Herausforderung in einem Zug, in dem man Mengen schwer berechnen kann und die Kochmöglichkeiten begrenzt sind. Nach logistischen Anfangsschwierigkeiten soll der Betrieb nun seit ein paar Tagen reibungslos ablaufen. "Das Kassensystem ist ein bisschen komplizierter, und ich muss mich erst an die Zubereitung der neuen Speisen gewöhnen", sagt der Mitarbeiter, während er die ersten Teller zu Tisch bringt.

Frisches und Trockenes

Pulled Pork Burger (6,90 Euro)
Foto: Alex Stranig

Der Pulled-Pork-Burger mit Coleslaw gelingt überraschend saftig und ist tadellos gewürzt. Das Bun ist leider von gewohnter Convenience-Qualität, wird aber zumindest kurz getoastet. Mehr Frische verspricht die Frühlingskarte, aus der Fernsehkoch und Catering-Testimonial Oliver Hoffinger lacht und Zartweizenrisotto mit Frühlingsgemüse als sein "Lieblingsrezept" präsentiert. Das wollen wir jetzt einfach einmal glauben und bestellen jenes gesunde Gericht, dem es nicht nur an Kreativität, sondern auch an Salz fehlt. Spargel, Zucchini und Karotten haben aber einen festen Biss, was wieder versöhnlich stimmt.

Zartweizenrisotto (9,50 Euro)
Foto: Alex Stranig
Spargelravioli (9,50 Euro)
Foto: Alex Stranig

Bei den Spargelravioli vermisst man diesen Biss leider. Vielmehr werden hier schlimme Erinnerungen an Spitalsessen wach. Dank cremiger und gut abgeschmeckter Bärlauchsauce lassen sich die Teigtaschen aber zumindest löffeln.

Die Gulaschsuppe holt einen dann wieder auf den harten (Waggon-)Boden der Tatsachen zurück und erinnert daran, dass man nicht in einem Restaurant, sondern im Zug sitzt.

Gulaschsuppe mit Gebäck (5,40 Euro)
Foto: Alex Stranig

In Anbetracht dieser Tatsache ist der Tafelspitz das kulinarische Highlight dieser Zugfahrt. Das gekochte Rindfleisch bekommt man in manch österreichischem Wirtshaus in ähnlich guter Qualität. Cremespinat kommt im Extraschüsserl und gelingt erfreulich köstlich. Der Erdäpfelschmarren schmeckt so, wie Erdäpfel eben schmecken, wenn man sie aufwärmt.

Tafelspitz (10,90 Euro)
Foto: Alex Stranig

So ist das übrigens auch mit dem Kaiserschmarren. Laut Karte ist er mit Buttermilch verfeinert, der Trockenheit konnte diese aber leider nicht zu Leibe rücken. Das Marillenkompott, das eigentlich ein Marillenröster ist, macht sich zumindest gut als Begleiter zum staubtrockenen Schmarren.

Kaiserschmarrn mit Marillenkompott (7,50 Euro)
Foto: Alex Stranig
Grießflammerie-Nockerl (7,90 Euro)
Foto: Alex Stranig

Flaumig und fast perfekt gelingen hingegen Grießflammerienockerl, die auf einem Erdbeersaucespiegel serviert werden. Auch der Apfelstrudel schmeckt tadellos und wird, wie in nahezu jedem Wiener Kaffeehaus, kurz aufgewärmt. Auf künstlich schmeckende und brennheiße Vanillesauce im Extraschüsserl darf hingegen verzichtet werden. Vielleicht sollte man doch ab und zu ein Sacherwürstel essen – auch wenn es mit steirischem Bier hinunter gespült werden muss. (Alex Stranig, 8.4.2018)

Apfelstrudel mit Vanillesauce (5,40 Euro)
Foto: Alex Stranig
Schinken-Sandwich (3,80 Euro)
Foto: Alex Stranig

Nachlesen:

ÖBB-Catering nach Umstieg nur mit eingeschränktem Angebot (4.4.2018)