Linus Giese schreibt im Netz über seine Geschlechtsidentität und wird dafür regelmäßig angefeindet.

Foto: Instagram/Buzzaldrinsblog

Schon mit sechs Jahren wusste Linus Giese, dass er zwar biologisch ein Mädchen war, aber eigentlich ein Junge sein wollte. Ein Wunsch, den er aber, wie er in einem Essay im "Tagesspiegel" schreibt, unterdrückte. Sein Selbstverständnis erfuhr in seinem Umfeld keine Akzeptanz. Später definierte er sich nach außen als "Butch", also eine betont männlich auftretende Lesbe. Im Herbst 2017 gab er schließlich bekannt, nur noch als Mann, Linus, angesprochen werden zu wollen. Vor einigen Wochen startete er schließlich eine Hormontherapie mit Testosteron.

Seinen Weg hat er auch online dokumentiert. Dazu nutzt der 32-Jährige, der in einem Buchladen arbeitet, sowohl sein Blog, Buzzaldrins Bücher, als auch Auftritte auf sozialen Medien. Das bringt ihm auch einigen Hass ein. Sein Leben sei im Netz zu einer Angriffsfläche geworden, erklärt er gegenüber dem "Spiegel".

"Schaut, wie euer Mitarbeiter nackt aussieht"

Es sei eigentlich egal, zu welchem Thema er sich äußere. Immer wieder würde jemand auftauchen, der ihm erkläre, dass er eigentlich kein Mann sei. Beschimpfungen wie "Scheidenbub" sind Gang und Gebe. Mittlerweile teilt er sein Twitterkonto mit einem Freund, der hin und wieder vorab die schlimmsten Kommentare entfernt. Seine Mitbewohnerin leistet ihm in Gesprächen seelischen Beistand, auch online erhält er Zuspruch.

Die Anfeindungen haben aber auch schon in sein restliches Leben übergegriffen. So wurde von Trollen seine Adresse veröffentlicht ("Doxxing"), Als er ein Foto von sich ins Netz stellte, das ihn "oben ohne" zeigte, um zu dokumentieren, wie ein noch nicht operierte Transmann aussieht, landete das Foto kurz darauf als E-Mail-Anhang bei seinem Arbeitgeber. "Schaut, wie euer Mitarbeiter nackt aussieht", so der Text dazu. Twitter kennzeichnet seine Fotos seitdem als potenziell anstößig. Anzeigen, die er einst gegen bedrohliche Tweets eingeleitet hatte, stießen bei dem Unternehmen auf taube Ohren.

Kein Rückzug

Auch wenn er befürchtet, dass einer der Mobber eines Tages persönlich im Buchladen auftauchen könnte, will er deren Nachrichten nicht ignorieren und sich auch nicht von sozialen Netzwerken zurückziehen. Entsprechende Tipps, sich "nicht so zur Schau zu stellen", verärgern ihn.

Bei seiner Wandlung gehe es um seine Identität, nicht um seine Sexualität. "Die Angriffsfläche ist mein Leben", sagt Giese. Auch zum "Spiegel"-Artikel gab es bereits einige boshafte Kommentare, die er per Twitter dokumentiert hat.

LGBT-Menschen besonders häufig von Mobbing betroffen

Es gibt auch noch einen anderen Grund, warum er sich weiter dem Hass aussetzt. Er wünsche der nächsten "Trans-Generation", solchen Erlebnissen nicht mehr ausgesetzt sein zu müssen, schließt er seinen Text im Tagesspiegel. "Niemand sollte Angst, Scham oder Ekel empfinden müssen und (…) mit den eigenen Wünschen und Bedürfnissen allein gelassen werden."

Giese ist mit seinen Erfahrungen auch nicht allein. Laut einer in den USA durchgeführten Studie der University of New Hampshire und weiteren Instituten im Jahr 2013 sind junge Menschen aus dem LGBT-Spektrum (Homosexuell, Bisexuell und Transgender) drei Mal häufiger Opfer von Cyber-Bulliying als heterosexuelle Menschen ihrer Altersgruppe. Die Ergebnisse bestätigten sich auch zwei Jahre später im National School Climate Survey. (gpi, 02.06.2018)