Left Boy gibt auf seinem neuen Album "Ferdinand" den Gehörnten.

Maite Kalita

"Gold Chain" ist so ein Song. Der wirkt wie mit dem Alternative-Music-Lego von 1995 gebaut. Ein halbeleganter Rocksong, für den sein Schöpfer vielleicht zu viele Red-Hot-Chili-Peppers-Intros studiert hat. Nur kommt danach nicht mehr viel, bevor es mit einem länglichen Outro wieder vorbei ist. Dafür hat sich Left Boy also neu erfunden, wie es von Vermarkterseite heißt.

Gießkanne

Left Boy ist der künstlerische Alias des Ferdinand Sarnitz. Der Sohn André Hellers hat eben sein zweites Album veröffentlicht, es heißt "Ferdinand" – und rockt. Ein bisschen halt. Nach dem eher im Hip-Hop und verwandten elektronischen Spielarten gelagerten Debüt "Permanent Midnight" gibt nun meist die Gitarre den Ton an; allerdings eher unentschlossen, nach dem Gießkannenprinzip.

Etwas abgegriffen

Left Boy scheint zeigen zu wollen, was er kann, und das ist viel. Also hinterlässt er in jedem Eck eine Markierung, und dabei fallen ein paar lässige Hooklines ab, wenngleich einem manche ein wenig abgegriffen vorkommen. Ob die Erben von Eddie Cochran für Left Boys Gitarrenriff in "God Damn" Tantiemen erhalten, weiß man nicht, fällig wären sie wohl. Stichwort: "C’mon Everybody."

Mit "Father Of God" eröffnet Left Boy sein Album "Ferdinand".
MADE JOUR LABEL

Fehlende Ideenarmut kann man Left Boy dennoch nicht unterstellen, aber das ist gleichzeitig das Problem. Dem Album fehlt der Halt, eine Klammer, ein roter Faden, dem sich folgen ließe, es zerfällt zu sehr. Beim Hören entsteht der Eindruck, man befände sich in einer vom Youtube-Algorithmus zusammengestellten Playlist.

Tränen der Rührung

Diese reicht vom Schablonenrock über zart mit Glam kokettierenden Versuchen bis zur Boy-Group-Ballade. Ein Song wie "Kid" besitzt durchaus Take-That-Qualitäten, man schmeckt nachgerade die Mädchentränen der Rührung – die sie am Ende mit der Justin-Bieber-Bettwäsche trockenwischen.

Als kurzatmige Hits vom und fürs Handy taugen die elf Lieder von Ferdinand wohl, im anvisierten Albumformat stolpert der 27-Jährige aber über die eigenen Beine. Da fehlt der klassische Produzent als Korrektiv. (Karl Fluch, 11.4.2018)