Der Stein des Anstoßes: der gegen den Agenda-Schwerpunkt "Esoterische Geschäfte" ins Blatt gerückte Kommentar der anderen des Theologen, Therapeuten und Schamanen Hans Thalhamer am Wochenende.

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Unreflektierte Reflexion

Herr Thalhamer bedient sich in seinem Kommentar bei den gängigen Methoden der Wissenschaftsskeptiker:

1. Exzessives Namedropping von allseits bekannten und wissenschaftshistorisch bedeutsamen Persönlichkeiten.

2. Zitate von ebendiesen Persönlichkeiten vollkommen aus dem Zusammenhang zu reißen.

3. Oftmalig evidenzbasierte "Studien" erwähnen, die esoterische Heilpraktiken angeblich beweisen, ohne diese namentlich zu nennen.

Herrn Thalhamer unreflektiert eine Plattform zu bieten ist in meinen Augen unseriös und ein großer Gegensatz zur Blattlinie einer Qualitätszeitung – und widerspricht jeglichen journalistischen Grundsätzen. (Julius Mayrgündter, per Mail)

Irre Irrationalität

Seltsam, mit welchem Eifer der Standard seit Wochen gegen Esoterik und "esoterische Geschäfte" anschreibt, ohne zu erwähnen, dass das größte Esoterik-Unternehmen des Landes, die katholische Kirche, vom Staat mit vielen Millionen Steuergeldern finanziert wird.

Und nicht nur die katholische Kirche, auch alle anderen staatlich anerkannten Religionsgemeinschaften bekommen unser Steuergeld für ihre theologischen Fakultäten, für ihre konfessionellen Privatschulen und für die Religionslehrer, die Kinder mit ihrer Esoterik, die sie "Glauben" nennen, indoktrinieren. Und die heutigen Erwachsenen wären für die "esoterischen Geschäfte" nicht so anfällig, wenn sie nicht von klein auf gelernt hätten, Übersinnliches für wahr zu halten.

Beim Lesen der Agenda "Esoterische Geschäfte" war mir nicht mehr klar, ob ich den Standard oder die Kirchenzeitung in Händen halte. Auch die Kirchenzeitungen und Kirchenblätter ziehen seit Jahrzehnten gegen die Konkurrenz "Esoterik" zu Felde, weil ihnen die Schäfchen davonlaufen und die Felle davonschwimmen.

Dabei weisen sie auf den Splitter im Auge der anderen hin, aber den Balken im eigenen Auge sehen sie nicht. Was Religionen verbreiten, ist nämlich über weite Strecken ebenso irrational, unlogisch, widersprüchlich, abergläubisch und widerspricht jeder Vernunft wie im Bereich der Esoterik.

Etwa wenn den Kindern jetzt bei der Erstkommunion beigebracht wird, die Oblate verwandle sich durch den "Hokuspokus" eines Mannes in Frauenkleidern in den Leib eines Menschen, der vor etwa 2000 Jahren grausam gefoltert und ermordet wurde.

Und wenn man das Häppchen Fleisch dieses Menschen esse, dann werde die Seele gesund – übrigens ein ungewolltes Eingeständnis, dass, wer zur Kommunion geht, seelisch krank ist. (Franz Josef Köb, per Mail)

Gewiss Wissende

Hat sich bisher nicht bis in die Redaktion durchgesprochen, dass der Stand der Wissenschaft nur etwas zugibt, was sie begreifen und belegen kann? Das zieht sich durch Jahrhunderte – Stichwort: Die Erde ist eine Scheibe. In letzter Zeit gibt es auch wissende Wissenschafter, die gewisse Dinge andeuten, sich aber nicht mehr zu sagen trauen.

Der Begriff Esoterik wird umfassend missbraucht. Da bin ich voll auf der Seite der Artikel. Seriöse und Wissende würden sich zu solchen Dingen nicht hergeben.

Es gibt aber auch eine wissende Szene von Personen, die Zugang zu Dingen haben, die die meisten aus Angst gar nicht hören wollen. Und all diese Personen, die helfen – auf welche Art auch immer – und viel Gutes tun, sollte man nicht in den Schmutz ziehen. (Dagmar Gratzer, per Mail)

Unkommentierter Kommentar

Der Kommentar von Herrn Thalhamer weist inhaltlich viele Mängel auf, die unkommentiert stehengelassen werden und zu einer eventuellen Verunsicherung der Leserschaft führen.

Zwar werden esoterische Praktiken verteidigt, und es wird behauptet, dass viele Effekte empirisch belegt worden sind, gleichzeitig werden aber keine Beispiele geliefert, und viel konkreter wird es auch sonst nicht. Mir persönlich ist kein erwiesener Nutzen der Esoterik bekannt, der über den Placeboeffekt hinausgeht, während es für Esoteriker selbst zumindest den Nutzen pekuniärer Natur gibt.

Der Kommentar diskreditiert die Naturwissenschaft und vergleicht sie mit der Religion. Dass dieser Vergleich hinkt, ist bei näherer Betrachtung allein dadurch evident, dass die Naturwissenschaft Beweisbarkeit und Reproduzierbarkeit ihrer Ergebnisse einfordert, während die Religion sich mit Metaphysik und vergleichbaren Dingen beschäftigt, die nicht belegbar sind. So ist es eher die Esoterik, die eine Glaubensform ist, nicht aber die Naturwissenschaft. Durch diese Formulierung des Autors werden naturwissenschaftliche Erkenntnisse als "Meinung", "Weltanschauung" oder eben "Glaube" verunglimpft.

Es wird dem Leser indirekt mitgeteilt, dass naturwissenschaftliche Erkenntnisse die gleiche Unsicherheit aufweisen wie beispielsweise die Frage, ob es denn nun ein Leben nach dem Tod gibt oder nicht.

Liest man den Kommentar weiter, so kann man in der Ausdrucksweise des Autors seine persönliche Abneigung der Wissenschaft gegenüber herauslesen. Es wird von "altem Wissen" gesprochen, welches fast kostbarer zu sein scheint als mit modernsten Methoden erlangtes, neues Wissen, und es wird kritisiert, dass Fantasien, die irgendjemand irgendwann in einem Trancezustand hatte, nicht als "Erkenntnisquelle" herangezogen werden.

Wieder zählen hier Dinge, die schön und angenehm klingen, mehr als die Härte, Sachlichkeit oder eventuell auch "Kälte" einer wissenschaftlichen Publikation. (Michael Pinner, per Mail)

Heilbare Unheilbarkeit

Jeder Mensch hat erstaunliche Selbstheilungskräfte, die es ihm ermöglichen, auch schwerste Erkrankungen zu überwinden, wenn er nur daran glaubt. Man nennt dies den Placeboeffekt.

Wissenschaftliche Studien über Medikamentenwirksamkeit müssen heute als sogenannte Doppelblindversuche durchgeführt werden. Die Probanden werden in drei Gruppen unterteilt. Eine wird nicht behandelt, eine mit garantiert wirkungslosen Medikamentenimitaten und nur die dritte mit dem zu testenden Medikament.

Weder Arzt noch Patient wissen, wer in der zweiten und wer in der dritten Gruppe ist. Sie haben also gleich viel Vertrauen in die Wirksamkeit der Behandlung, egal ob sie wirksam ist oder nicht. Und nur von diesem Vertrauen hängt in der zweiten Gruppe der Behandlungserfolg ab.

Die Wirkung in dieser Placebo-Gruppe beträgt laut wissenschaftlichen Untersuchungen 20 bis 80 Prozent jener in der Wirkstoff-Gruppe. Wäre sie viel kleiner, könnte man sich das aufwendige und teure Doppelblindverfahren ja auch sparen.

Gemessen daran, dass also etwa 50 Prozent aller medizinischen Wirkungen auf dem Placeboeffekt beruhen (dieser verstärkt ja die Wirkung aller Medikamente), wird aber nur ein minimaler Bruchteil des finanziellen Aufwandes in diesen investiert. Man könnte meinen, es genüge, wenn ihn die wirksamen Medikamente nutzen. Dann müsste aber die Medizin für alle Krankheiten eine als wirksam anerkannte Therapie bieten.

Der Placeboeffekt ermöglicht aber Heilung für alle "unheilbaren" Krankheiten.

Auch in der Krebsforschung zeigten sich da schon einige Überraschungen. Die Medizin kann es sich aber aus ethischen Gründen und um ihr eigenes Ansehen nicht zu gefährden, nicht leisten, großmaßstäblich Medikamentenimitate einzusetzen, das wäre schlichtweg Betrug.

Es geht mir nicht darum, Träumern nicht ihre Illusionen zu rauben, sondern um Menschenleben, die durch Esoterik gerettet werden können, und um Milliarden-Kosten im Gesundheitssystem.

Wenn nur ein Patient im Krankenhaus Nord am Sick-Building-Syndrom leidet und glaubt, er könne deshalb dort nicht gesund werden, aber aufgrund seiner esoterischen Einstellung überzeugt ist, der Energie-Ring schützt ihn, kann alleine der Placeboeffekt sein Leben retten oder hunderttausende Euro an Behandlungskosten ersparen, weil er früher entlassen werden kann. Die kolportierten Kosten von 95.000 Euro für den Energie-Ring stehen in keiner Relation dazu. Überdies werden sie auch nicht fair verglichen mit anderen Kosten, die ebenfalls keine direkte Heilwirkung haben. Jedes Krankenhauszimmer hat einen Fernseher. In Krankenhäusern gibt es Kapellen und veganes Essen. Warum sollte auf die Bedürfnisse von Menschen mit esoterischer Orientierung weniger Rücksicht genommen werden? (Hermann Steier, per Mail)

Geschaffte Wissenschaft

Nur weil es die Wissenschaft in manchen Bereichen nicht schafft, Wissen zu schaffen, heißt das noch lange nicht, dass dies nicht Realität ist. Dieses "Unbekannte" darf nicht abgestritten und verteufelt werden. Sowohl in der Wissenschaft als auch im Unbekannten gibt es "schwarze Schafe". Beim Vorfall Krankenhaus Nord kann man von mindestens zwei ausgehen: dem Auftraggeber und dem Auftragnehmer. (Horst G. Enenkel, per Mail)