Die Plattform Unzensuriert .at, deren ehemaliger Chef nun im Innenministerium residiert, ist empört. Niemand Geringerer als Wolfgang Schäuble von der CDU, Präsident des Deutschen Bundestags, hat es gewagt, den Satz zu wiederholen, der alle Rechtspopulisten auf die Palme bringt: Der Islam gehört zu Deutschland. Gehört er auch zu Österreich? Ja.

Die akzeptiertere Variante (CSU-Chef Seehofer, Außenministerin Kneissl) lautet: der Islam nicht, aber die hier lebenden Muslime schon. Aber so oder so – in Ländern, in denen viele Bürger eine bestimmte Religion praktizieren, hat diese Religion ihren Platz. Ob es uns passt oder nicht. Und das heißt, dass diese Tatsache auch sichtbar sein sollte, nicht nur in Gestalt von Frauen mit Kopftuch auf den Straßen, sondern auch in Gestalt von Moscheen. Es ist auf die Dauer absurd, dass es allein in der Wiener Innenstadt vierundzwanzig christliche Kirchen und Kapellen gibt, aber für die zweitgrößte Religionsgemeinschaft in der ganzen Stadt nur eine Moschee, weit draußen an der Peripherie. Überall sonst beten die Wiener Muslime in obskuren Kellerlokalen, wie einst Protestanten und Juden, bevor ein Kaiser ihnen Toleranz gewährte. Und wenn sie sich, wie in Perchtoldsdorf, auf der Heide versammeln, gibt es erst recht Stunk.

Aber der Islam gehört zu einer fremden Kultur!, heißt es. Er steht für Frauenfeindschaft, Gewalt, Unterdrückung Andersdenkender, Antisemitismus. Aber all das ist bei uns gesetzlich geregelt und wird geahndet. Und all das war lange Zeit auch im Christentum gang und gäbe. Zurückgedrängt werden diese Erscheinungen nicht durch Verbote, sondern durch Aufklärung. Es gilt, mit aufgeklärten Muslimen zusammenzuarbeiten und nicht alle unter Generalverdacht zu stellen. Das führt eher zu Solidarisierung und zu Parallelgesellschaften.

Wir verlangen von muslimischen Zuwanderern mit Recht Bereitschaft zur Integration. Aber das heißt nicht, dass sie auch ihre Religion gleichsam geheim und außer Sichtweite praktizieren müssen. Der Islam mit seinen Anhängern in Österreich verschwindet nicht, wenn wir ihn in den Untergrund drängen. Und "europäischer" wird er dadurch auch nicht. Was für andere christliche Konfessionen und für das Judentum gilt, sollte auch für den Islam gelten. Dass das geht, zeigt das Beispiel Bad Vöslau, wo die dortige moderne Moschee inzwischen zu einem allgemein anerkannten Highlight der Stadt geworden ist.

Was hingegen ganz und gar nicht geht, ist Antiislamismus in christlichem Gewand, vorgetragen ausgerechnet von den Nachfahren derer, die sich einst als Kirchenfeinde hervorgetan haben. Wenn H.-C. Strache sich mit einem Kreuz in der Hand, Widerstand gegen den Islam predigend, fotografieren ließ und sich heute päpstlicher als der Papst geriert, sollten Christen die Ersten sein, die dazu laut und deutlich Nein sagen.

Antiislamismus ist der neue Antisemitismus. Die meisten Muslime in Österreich sind gesetzestreue Bürger. Wenn sie es nicht sind, gelten für sie die gleichen Gesetze wie für alle anderen. Aber: Der Islam gehört zu Österreich. Daran sollten wir uns endlich ein- mal gewöhnen. (Barbara Coudenhove-Kalergi, 11.4.2018)