Die Länder fordern von der Bundesregierung Ersatz für die Pflegekosten, die durch die Abschaffung des Pflegeregresses entstehen.

Foto: APA / Helmut Fohringer

Renate Brauner und ihr roter Parteikollege aus dem Burgenland, Hans Peter Doskozil, fordern mehr Geld vom Bund.

Foto: APA/ROBERT JAEGER

Aber auch der schwarze Salzburger Landesrat Christian Stöckl lässt den Bund wissen: Man brauche mehr Mittel, wenn man zusätzliche Aufgaben übernehmen solle.

Foto: APA/ROBERT JAEGER

Wien – Renate Brauner sieht sich und ihresgleichen vor eine schier unmenschliche Aufgabe gestellt. Um die Forderungen der Bundesregierung zu erfüllen, "müssten wir die bezaubernde Jeannie sein", sagt die Wiener Finanzstadträtin und meint damit die separaten Deutschklassen, in den Schüler mit Sprachdefiziten bereits ab September untergebracht werden sollen: "Schulklassen kann man nicht einfach herbeizwinkern."

Am Donnerstag trafen sich die Finanzchefs der Länder in Wien. Zentrales Thema: das gemeinsame Vorgehen beim Thema Pflegeregress.
ORF

Breites Mandat

Die Sozialdemokratin steht in natürlicher Opposition zur Bundeskoalition aus ÖVP und FPÖ, doch diesmal hat sie ein breiteres Mandat im Rücken. Als Gastgeberin der Konferenz der Finanzlandesräte am Donnerstag in Wien spricht Brauner für sämtliche Bundesländer, und die sind mehrheitlich schwarz regiert.

Der gemeinsame Nenner, den die Regionalpolitiker gefunden haben: Wenn die Bundesregierung mit ihren Beschlüssen neue Kosten für die Länder verursache, müsse sie diese bitte schön auch abdecken. Die Landesvertreter nennen mehrere markante Beispiele, bei denen sie sich von der Koalition im Stich gelassen fühlen.

  • Deutschklassen Pädagogische Einwände einmal ausgeklammert, gebe es auch rein praktische Einwände, erläutert Brauner, flankiert von ihren Amtskollegen Christian Stöckl (Salzburg, ÖVP) und Hans Peter Doskozil (Burgenland, SPÖ): "Undenkbar" sei es, in den vier Monaten bis zum Start des neuen Schuljahres die nötigen Räume und Lehrer bereitzustellen, von den ungedeckten Mehrkosten ganz zu schweigen. Allein Wien müsste 187 Millionen Euro zusätzlich flüssig machen, rechnet sie vor, alle Länder zusammen kämen auf "mehrere 100 Millionen".

  • Pflegeregress Seit die alte Regierung selbigen abgeschafft hat, dürfen die Länder nicht mehr auf das Vermögen von Pflegeheimbewohnern zugreifen, um die Kosten der Betreuung zu bestreiten. Auch die bisherigen "Selbstzahler" reißen ein Loch ins Budget. Um dem Zugriff aufs Hab und Gut vorsorglich zu vermeiden, haben manche Pflegebedürftige die Rechnung lieber gleich selbst gezahlt. In diesen Fällen muss die öffentliche Hand nun ebenfalls einspringen.

    Ob darüber hinaus auch Menschen, die bisher zu Hause gepflegt wurden, en masse ins nun günstigere Heim drängen, ist strittig. Wien registriert einen starken Zulauf, was Brauner auch für die restlichen Länder geltend macht. Ein Rundruf des STANDARD hat unlängst hingegen ergeben: In der Mehrheit der Länder ist kein "Run" auf die Heime bemerkbar.

    So oder so fallen die Forderungen an die Regierung, die bisher zur Kompensation 100 Millionen Euro bietet, üppig aus: Das Aus für den Regress koste in Summe 500 bis 600 Millionen Euro.

  • Steuerentfall Der als Steuerabsetzbetrag konzipierte Familienbonus, die Senkung der Umsatzsteuer für die Hotellerie: Weil die Länder von den staatlichen Steuereinnahmen automatisch "Ertragsanteile" erhalten, haben die von der Regierung verfügten Entlastungen unerwünschte Nebenwirkungen. Stöckl beziffert den Einnahmensentfall für sämtliche Länder für heuer mit 189 Millionen, im Vollausbau ab 2020 sollen es dann 285 Millionen sein.

  • AUVA Muss die Unfallversicherung, wie von der Regierung gefordert, hunderte Millionen Euro einsparen, drohe in AUVA-Spitälern eine eingeschränkte Versorgung, argumentiert Stöckl – wofür die Länder in ihren Krankenhäusern dann einspringen müssten.

  • Kinderbetreuung Die Länder vermissen die Fortführung der Bund-Länder-Vereinbarung zum Ausbau der Kinderbetreuung; läuft diese aus, fielen 100 Millionen flach. Auch andere Verträge in diesem Bereich seien in Schwebe.

Wie die Länder die Bundesregierung zum Zahlen bewegen wollen? Als "Worst-Case-Szenario" nennt Brauner eine Klage beim Verfassungsgerichtshof, sollte bis Ende Juni keine Lösung gelingen – doch so weit müsse es nicht kommen. Die Länder seien nicht an parteipolitischem Hickhack interessiert und sperrten sich auch nicht prinzipiell gegen Reformen, sagt Brauner, sondern wünschten sich von der Regierung, abgesehen vom Geld, eines: "Bitte reds mit uns!" (Gerald John, 12.4.2018)