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ie Anwendungsbereiche von Augmented-Reality-Brillen sind vielfältig: In China werden "smart glasses" eingesetzt, um Gesichter oder Autokennzeichen zu erkennen und sie in Echtzeit mit einer Datenbank abzugleichen. Kritiker befürchten vor allem eine stärkere Überwachung.

Foto: Reuters / China Stringer Network

Wien – Spätestens seit dem bekannten Smartphone-Spiel Pokémon Go scheint die sogenannte Augmented Reality (AR, erweiterte Realität) im Alltag angekommen zu sein. Bei AR wird die Realität durch eingeblendete Informationen – etwa über eine Brille mit Display – erweitert. Die Technologie dafür gibt es zwar schon länger, aber erst seit den letzten Jahren scheint sie auch für Unternehmen an Relevanz gewonnen zu haben: So sind IT-Giganten wie Google, Microsoft, Apple oder Samsung bereits in die Produktion von massentauglichen Geräten eingestiegen. Denn die Industrie boomt: Marktforschungsinstitute beziffern den Wert von AR auf rund 134 Milliarden Dollar (108 Millionen Euro) bis zum Jahr 2021.

Die Schnittstelle

Kein Wunder, dass auch viele Start-ups und kleinere Unternehmen auf dem Markt mitmischen. Eines von ihnen heißt View- pointsystem und hat seinen Sitz im Zentrum Wiens. Auf einem Podest ist eine weiße Brille aufgestellt, die über ein Kabel mit einer Power-Box verbunden ist. "Das ist die Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine", sagt der Geschäftsführer Nils Berger. Er spart auch sonst nicht mit großen Worten: Viewpointsystem gehe mit seinem System über die gewöhnliche AR hinaus, es sei eine Technologie, die den Markt neu definieren könnte.

Die Idee dahinter: Die Brillen des Unternehmens sind kleiner und leichter als herkömmliche AR-Brillen. Zusätzlich zu der Vorderkamera sind sie mit zwei Innenkameras ausgestattet, welche die Bewegungen der Augen messen – "Eyetracking" nennt es Berger. Sieht sich der Brillenträger im Raum um, wird über ein weißes Kreuz auf dem Display der Power-Box angezeigt, welche Punkte und Objekte er fokussiert. Die Daten lassen sich live auf den Bildschirm eines anderen Nutzers übertragen, der dann "mit den Augen" des Trägers "mitschaut".

Fernwartungen und Trainings

Die Anwendungsbereiche der Brillen seien laut Berger vielfältig, richten sich aber vorrangig an Unternehmen: So können beispielsweise Techniker Maschinen aus der Ferne warten, indem sie dem Träger ansagen, wo er hinzuschauen hat. In Ausbildungen für Piloten kann überprüft werden, wie sehr die Teilnehmer in Simulationen die Höhenanzeige im Blick haben. Auch "erweiterte" Übungen im Militär seien mit der Blickverfolgung möglich. Später sollen auch zusätzliche Informationen im Sinne der AR eingeblendet werden können, etwa ein grüner Pfeil, der bei Reparaturarbeiten anzeigt, welche Hebel oder Knöpfe zu bedienen sind.

Auch allerhand zusätzliche Informationen sollen sich über die Brille ablesen lassen: Über das Auge etwa Stress- oder Ermüdungslevel, GPS-Daten oder Umgebungstemperatur werden als Daten gesendet und gespeichert. Was mit dieser Datenfülle passiert, darüber soll der Benutzer entscheiden dürfen, sagt Berger.

Fördergelder

Das 40-köpfige Team stellte 2016 die erste Version seiner Brille vor, heute arbeitet man mit Unternehmen wie den Wiener Linien, der Deutschen Bahn, Novomatic oder Coca-Cola zusammen. Vor kurzem erhielt Viewpointsystem 2,3 Millionen Fördergelder aus dem europäischen Förderprogramm Horizon 2020, nächstes Jahr soll das zweite Modell verfügbar sein. Der Preis für die Brille: rund 9300 Euro. (Jakob Pallinger, 13.4.2018)