Antonello Manacorda schätzt das Stagionetheater: "Alle Konzentration richtet sich auf eine Sache. Unbezahlbar!"

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Wien – Danke, er sei in guter Verfassung, so Dirigent Antonello Manacorda – schließlich sei es "hier ein Traum"! Wenn man, wie er, gerade aus einer Repertoiretheaterproduktion komme, "registriert man die Vorzüge des Stagionesystems noch mehr. Alle Energie und Konzentration richten sich auf eine Sache. Das ist unbezahlbar!", so der Turiner, der vor gut zwei Jahren an der Wienzeile mit Verdis Otello debütierte und sich nun Benjamin Brittens Version des Sommernachtstraums widmet.

"Jeder kennt Shakespeares Stück vom Hörensagen, aber eigentlich kennt es kaum jemand wirklich. Es ist sehr schwierig – auch in Theaterform -, da sich verschiedene Ebenen in ihm treffen: Realität und Traum, Theater im Theater." Dies sei schwer auf einen Nenner zu bringen. In der musikdramatischen Fassung sieht Manacorda deshalb sogar eine Hilfe, um der vertrackten Handlung zu folgen.

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"Es bleibt zwar immer noch die Schwierigkeit, dass es im Gegensatz zu den anderen Britten-Opern wie The Rape of Lucretia, Death in Venice oder The Turn of the Screw keinen so plastischen Plot gibt. Das Stück braucht daher – auf der Bühne – eine sehr deutliche Dramaturgie."

Die Zitronenpresse

Britten schaffe andererseits "meisterliche Rahmen, in denen Komödianten und Liebhaber ihre eigenen, sehr deutlich abgegrenzten Szenen haben. Auch die Traumwelt, die fantastische Welt der Elfen und von Oberon, wird musikalisch sehr klar charakterisiert." Deshalb sei es "sicher einfacher", dem Stück in Opernform zu folgen.

Überhaupt spricht der Musiker mit italienischen Wurzeln, der sich selbst "fast schon als Deutscher" fühlt, über den Briten in Superlativen: "Er ist ein Meister der Klangfarbe, ein unglaublicher Komponist! Er schafft es, mit einem relativ kleinen Orchester Vielfalt zu erzielen – als ob Britten jede Instrumentenfamilie durch eine Zitronenpresse quetschen würde."

Britten nähme stilistische Muster aus der Barockzeit und auch Formen aus seiner Epoche, die er jedoch nicht kopiert, "sondern wie ein Alphabet für seine Sprache verwendet". Wenn er Komponist Henry Purcell imitiere, "ist es trotzdem reinster Britten – mit den Buchstaben von Purcell. Das ist keine Nachahmung, sondern eine Anverwandlung."

Für die Interpreten sieht der sehr Britten-erfahrene Dirigent grundsätzlich kaum Schwierigkeiten: "Eigentlich muss man nur das realisieren, was der Komponist geschrieben hat. Die Struktur und die Farben sind so klar, dass es für einen Dirigenten eigentlich keine Fragen gibt. Die Musik ist so nah am Text und perfekt für die Singstimmen geschrieben."

Die Orchestergründung

Sein Handwerk hat Manacorda auf ungewöhnlichem Weg gelernt: 1997 gründete er mit Kollegen und Dirigent Claudio Abbado das Mahler Chamber Orchestra. Als dessen langjähriger Konzertmeister lernte er dabei organisatorisch wie auch musikalisch: "Man lernt, ein Orchester zu führen, lernt, wie man probt. Und ich habe mich viel damit beschäftigt, wie ein Orchester zusammenfinden muss. Wir haben damals das Mahler Chamber Orchestra von null auf gegründet, Probespiele organisiert, eigentlich alles gemacht."Als Konzertmeister hätte man auch die Aufgabe, "das Ganze zu retten, wenn der Dirigent nicht gut ist. Sonst ist das Orchester verloren." Natürlich habe er "von Abbado, Pierre Boulez und Bernhard Haitink sehr viel profitiert, was Musik und die Arbeit mit Partituren anbelangt".

Er habe als Orchestermusiker allerdings "viel von schlechten Dirigenten gelernt, jenen, die technisch nicht so gut waren. Weniger von den guten!" (Daniel Ender, 14.4.2018)