Letsch: "Ich bin selbstbewusst genug zu sagen, dass ich dieser Aufgabe gewachsen bin."

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STANDARD: Wie hoch schätzen Sie die Wahrscheinlichkeit ein, in der nächsten Saison Austria-Trainer zu sein? Wie handhabt man diese Ungewissheit, ein Vertrag für zwölf Partien ist ja nicht der Regelfall?

Letsch: Es in Wahrscheinlichkeiten auszudrücken ist schwierig, macht zum jetzigen Zeitpunkt keinen Sinn. Die Situation ist ungewöhnlich, sie hat aber den Vorteil, dass ich mich auf die Gegenwart und nicht auf künftige Dinge konzentrieren kann. Natürlich kommt irgendwann der Punkt, da will man wissen, wie und ob es weitergeht. Ich brauche ja einen Job. Aber noch ist es nicht so weit. Ich genieße die Augenblicke.

STANDARD: Das Derby ist insofern brisant, als Ihr Kollege von Rapid, Goran Djuricin, auch keinen Vertrag hat. Ein Sieg wäre für beide kein schlechtes Argument. Ist es diesmal mehr Letsch gegen Djuricin als Austria gegen Rapid?

Letsch: Nein. Ein Derby hat seinen Reiz in der Rivalität der beiden Vereine. Hinzu kommt die Tabellensituation. Wir brauchen die Punkte unbedingt. Djuricin ist schon eine Weile dabei, bei mir war es eine andere Konstellation. Es wäre überzogen zu behaupten, dass der Sieger die besseren Karten hat. Es geht darum, dass die Leute, die entscheiden, die gesamte Arbeit des Trainers bewerten und richtige Schlüsse ziehen.

STANDARD: Es ist Ihr erstes Derby. Fangen Sie mit der abgedroschenen Phrase von der eigenen Gesetzmäßigkeit etwas an?

Letsch: Zum Teil. Mir war das 2:0 bei Sturm auch extrem wichtig. Mir ist klar, dass ein Sieg im Derby gefühlt mehr als drei Punkte wert ist.

STANDARD: Ihnen fehlen aufgrund von Sperren zwei sehr wichtige Spieler, Raphael Holzhauser und Tarkan Serbest. Kopfschmerzen?

Letsch: Natürlich tut das weh. Es wäre aber ein großer Fehler, würde ich mich mit Ausfällen beschäftigen. Ich muss mich um jene kümmern, die zur Verfügung stehen.

STANDARD: Ihre Bilanz ist gut. Vier Siege und ein 0:5 bei Salzburg. An welchen Schrauben haben Sie in den sechs Wochen gedreht?

Letsch: Das ist vielschichtig. Es geht darum, die Vorstellungen den Spielern klarzumachen, sie einzufordern. Wir haben viel miteinander gesprochen. Ich bin überzeugt, dass der Fußball, der mir vorschwebt, zum Erfolg führt. Und mit jedem guten Ergebnis glaubt auch die Mannschaft daran. Da muss man gar nicht an speziellen Schrauben drehen.

STANDARD: Findet Fußball eher in den Köpfen als in den Beinen statt?

Letsch: Es kommt auf die Mischung an. Wenn ich als Trainer etwas vorgebe, und die Mannschaft steht nicht dahinter, ist das Scheitern vorprogrammiert. Man muss die Spieler miteinbeziehen. Das fußballerische Können, die körperliche Fitness sind natürlich unabdingbar. Mein Vorgänger Thorsten Fink hat über einen langen Zeitraum sehr gute Arbeit geleistet. Ich habe kein Team vorgefunden, das total verunsichert war. Es war intakt, hat halt nur wenig gewonnen.

STANDARD: Kann man Ihre Philosophie verkürzt mit den Worten "aktiv sein" umschreiben?

Letsch: Ja, das gefällt mir ganz gut. Aktiv sein ist ein Schlüssel. Aktiv sein, sowohl, wenn der Gegner den Ball hat, als auch, wenn wir den Ball haben. Bin ich aktiv, kann ich Einfluss nehmen. Verhalte ich mich passiv, helfe ich dem Gegner, seine Ideen, seine Muster durchzubringen.

STANDARD: Inwieweit haben Sie die fünf Jahre bei Red Bull geprägt. Dort steckt ein Konzept dahinter. Was ist das Konzept der Austria?

Letsch: Was die Austria betrifft, dazu bin ich zu kurz da. Der große Vorteil bei Red Bull: dass man nach dem Umbruch auf eine klare Spielphilosophie gesetzt hat. Man weiß, welchen Spielertyp man benötigt, das wird konsequent durchgezogen.

STANDARD: Ist Konzept eine Frage des Geldes?

Letsch: Nein. Habe ich viel Geld zur Verfügung, und habe ich kein Konzept, werde ich keinen Erfolg haben. Habe ich wenig Geld, aber ein Konzept, ist die Wahrscheinlichkeit höher. Die Kombination viel Geld und ein richtiges Konzept ist ideal. Man weiß, dass bei der Austria im Nachwuchs gut gearbeitet wird. Aber ich muss im Moment leben, der Satz, ich denke von Spiel zu Spiel, passt perfekt zu meiner Situation. Es geht nur darum, Punkte einzufahren.

STANDARD: Die Austria gilt als Traditionsverein. Spüren Sie das, haben Sie einen anderen Zugang als zu Red Bull Salzburg?

Letsch: Ja, ich spüre das schon. Ich merke bei den Mitarbeitern, dass sie für den Verein mitfiebern. Da sind Leute dabei, die von klein auf Fans der Austria sind. Wien ist die Hauptstadt, das ist nicht vergleichbar mit Salzburg. Salzburg ist fantastisch, aber hier läuft es anders ab. Ich mag dieses Flair.

STANDARD: Trainer werden immer mehr gehypt, sie werden selbst zu Stars, die Klubs zahlen Ablöse. Ist das eine gefährliche Entwicklung? Ist es überhaupt noch möglich, in Ruhe, konzeptionell zu arbeiten? Ist der Fußball nur noch Show?

Letsch: Show würde ich nicht sagen. Aber es gibt im Fußball nur noch Schwarz und Weiß. Gewinnt die Mannschaft dreimal, ist der Trainer super, verliert sie dreimal, wird der Trainer infrage gestellte. Es ist viel schnelllebiger geworden. Wünschenswert wäre es, etwas entwickeln zu dürfen. Die Zeit bekommt man meistens nicht. Trotzdem ist es sicher ein Privileg, Trainer bei der Austria zu sein. Ich bin selbstbewusst genug zu sagen, dass ich dieser Aufgabe gewachsen bin.

STANDARD: Gab es seitens des Vorstands schon Signale?

Letsch: Nein, aktuell liegt es brach. Im Moment ist das aber auch völlig in Ordnung, denn es ist so besprochen.

STANDARD: Klopp, Guardiola, Mourinho, Heynckes. Wen finden Sie am besten?

Letsch: Die Mischung aus allen. Dass Heynckes auf dieser Liste steht, finde ich gut. Wichtig ist, seinen eigenen Stil zu finden. Und du musst offen sein für Neues. Es geht immer ums große Ganze. Alleine kannst du wenig bewirken.

STANDARD: Auf die Gefahr hin, einen Shitstorm auszulösen: Welchen Rapidler hätten Sie gerne sofort bei der Austria?

Letsch: Ich konzentriere mich lieber auf die Austria.

STANDARD: Ergänzen Sie: Die Austria gewinnt das Derby weil ...

Letsch: ... wir an uns glauben, aggressiv sein werden, den absoluten Willen haben. (Christian Hackl, 14.4.2018)