Perugia – Beim Internationalen Journalismusfestival in Perugia diskutierten Vishal Manve und Rajesh Prabhakar, wie undokumentierte Geschichten aus Südasien mehr Öffentlichkeit bekommen können. Der indische Journalist und der ‚Feld-Koordinator‘ aus Dharavi in Mumbai, einem der größten Slums Asiens, wollen das South Asia News Network (SANN), ausbauen und in der Region wenig beachtete Themen beleuchten. Indem sie vor allem ortskundige Personen zu Wort kommen lassen wollen, denken sie, dass sie damit auch die Situation von sogenannten ‚Fixern‘, die für Journalisten Kontakte knüpfen, als Übersetzer, Fahrer oder Fotografen arbeiten, verbessern können.

Dharavi in Mumbai: Rajesh Prabhkar und Vishal Manve habe sich zur Aufgabe gemacht, hier unentdeckte Geschichten zu dokumentieren.
Foto: Rajesh Prakhabar

Als Vishal Manve für einen Artikel in Dharavi, ein Slum, der im Westen vor allem aus dem Film "Slumdog Millionär" bekannt ist, mit Rajesh Prabhakar zusammenarbeitete, fiel ihm auf, dass die Perspektiven der Leute, die Journalisten im Feld unterstützen, oft nahezu unbeachtet bleiben. In Dharavi betreffe dies vor allem Themen wie Menschenrechtsverletzungen, die Unterdrückung oder Misshandlung von Frauen und der LGBT-Community, aber auch Gentrifizierung und die wirtschaftliche Ausbeutung durch große Konzerne. In Dharavi werden beispielsweise giftige Chemikalien aus Abfällen "recycelt". Deswegen gründete er zusammen mit Prabhakar das South Asia News Network.

Im Moment besteht die Non-Profit-Plattform aus drei Mitarbeitern in Indien. Das langfristige Ziel sei es aber, immer mehr Artikel, Videos und Multimediabeiträge von Journalisten und "Feld-Koordinatoren" auch aus Sri Lanka, Pakistan, Bangladesch, Afghanistan, Nepal und Bhutan zu sammeln und internationale Aufmerksamkeit zu gewinnen. "Dafür muss ich noch viel reisen", meint Vishal Manve, der sich das zurzeit noch selbst finanziert und auf Sponsorensuche ist.

Rajesh Prabhakar aus Dharavi gründete das South Asian News Network mit.
Foto: Konstantin Auer

Mehr Vertrauen durch engere Einbindung

Manve erklärt, dass er dabei sei, in all diesen Ländern Menschen zu finden, denen er vertrauen kann, weil das Ziel sei "nur verifizierte und akkurate Beiträge zu veröffentlichen". Auch dafür sei das Festival in Perugia "ein geeigneter Ort". Auf diese Art, denkt er, könne man zu mehr Vertrauen in die Medien beitragen, da so mehr Menschen in die Produktion eingebunden seien und die Berichterstattung näher an die Erlebnisse der Betroffenen rankommt. Das South Asia News Network soll neben professionellen Journalisten und "Koordinatoren" auch Journalismusstudenten und Laien Platz für Veröffentlichungen bieten. Dazu sei es, laut Manve, noch nötig "alle Leute auf denselben Stand zu bringen" und sie auszubilden.

Der Umgang mit sogenannten "Fixern"

Generell ist der Umgang mit den "Feld-Koordinatoren", wie Rajesh Prabhakar lieber genannt werden würde, oft problematisch. Sie ermöglichen Journalisten einerseits den Zugang zu Personen und Orten, an die diese sonst nicht kommen könnten. Andererseits bekommen sie wenig Ausbildung, werden schlechter bezahlt, genießen weniger Schutz, weniger Rechte und kriegen oft nicht einmal Kredits. Prabhakar wünsche sich beispielsweise eine tiefgehende Ausbildung zum Fotografen und beklagt außerdem, dass er einen finalisierten Beitrag, an welchem er mitgewirkt hat, vor Veröffentlichung selten zu sehen bekomme. Bei investigativen Recherchen oder in Konfliktzonen kann dies für die Koordinatoren problematisch werden, da diese meist länger vor Ort bleiben müssen als die Journalisten.

Dharavi: Ein Ort, an dem die Welt gerne vorbeisieht
Foto: Rajesh Prabkhar

Wenig Pressefreiheit in Indien

Manve und Prabhakar erhoffen sich auch Einsichten in die Konfliktregion Kaschmir zu bekommen, wo Journalisten derzeit der Zugang erschwert wird. Auf dem Index der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen hat Indien zuletzt drei Plätze verloren und befindet sich nun auf Platz 136. Es hat sich ein Hindu-Nationalismus etabliert, Muslime und andere Minderheiten werden unterdrückt. Premierminister Modi stellt sich so gut wie nie der Presse und gibt kaum Pressekonferenzen. In den großen indischen Medienhäusern hat sich aus Angst eine Art Selbstzensur breitgemacht. Das South Asia News Network möchte diesen Entwicklungen entgegenwirken. (Konstantin Auer, 15.4.2018)