Wien – Noch bevor die Militärschläge der USA, Frankreichs und Großbritanniens in Syrien am Samstagmorgen begannen, hagelte es im Netz wieder Vorwürfe über Fake News. Über Lügen, die angeblich von westlichen Medien verbreitet werden. Fotos und Videos, die angeblich zeigen, wie Chemieangriffe in Syrien inszeniert werden, kursierten auf Facebook – und auch im STANDARD-Forum. In welchen Medien konkret diese Bilder angeblich gezeigt wurden, steht nicht dabei.

Ein Filmset für Verschwörer

Besonders dreist schienen da Fotos eines Filmsets, wo eine Frau mit Filmklappe in der Hand das Signal zum Start gibt, damit Menschen wie tot umfallen. Die Bilder zeigen tatsächlich ein professionelles Filmset. Allerdings sind sie nicht geheim aufgenommen, sondern von der Facebook-Seite des Films "Revolution Man" geklaut, der am 9. März im Opernhaus von Damaskus uraufgeführt wurde. Dies deckte die Seite mimikama.at detailliert auf. Mit einem falschen Text versehen, kommen Verschwörungstheoretiker hier aber auf ihre Kosten – Nato, Weißhelme und auch gleich alle Medien werden pauschal als Lügner beschimpft.

Verschwörungstheoretiker verbreiten unter anderem dieses Foto als Bewies für die Hollywood-Inszenierung von Angriffen mit Chemiewaffen in Syrien. Tatsächlich sind es ganz offizielle Bilder vom Filmset des Film "Revolution Man".
Foto: Facebook

Dabei wäre eine Überprüfung leicht. Aber, wie heißt es mancherorts so schön: Recherche ist Meinungsschwäche. Wenn man wissen will, ob ein Bild schon einmal irgendwo erschienen ist, kann man das etwa mit einem einfachen Tool für Bilder auf Google selbst überprüfen.

"Das Interessante: Fälscher sind ziemlich faul, die nehmen fast immer alte Fotos und behaupten, man würde darauf etwas ungeheuer Aktuelles sehen", weiß Ingrid Brodnig, Journalistin und Autorin der Bestseller "Hass im Netz" und "Lügen im Netz".

Zombie-Fakes

Auch Bilder, deren Herkunft schon aufgeklärt wurden, kommen immer wieder, Brodnig nennt sie im Gespräch mit dem STANDARD "Zombie-Fakes, weil sie bereits aufgeklärt sind und damit eigentlich tot sein müssten, aber als Untote wiederkommen". Ein aktuelles Beispiel, das man rund um die Angriffe dieses Wochenende auch im STANDARD-Forum finden konnte, ist ein Video, das ebenso belegen soll, dass die Giftgasanschläge von Laienschauspielern gespielt werden: Das Video stammt allerdings aus dem Jahr 2013 und wurde ebenfalls bereits als Falschmeldung entlarvt, etwa auf einer französischen Seite, die sich wie mimikama.at auf Entlarvung von Fakes spezialisiert hat.

Gerade im syrischen Bürgerkrieg habe es der Medienkonsument besonders schwer, sagt Brodnig, "da gibt es eine Mischung aus fairen und unfairen Argumenten. Einerseits gibt es berechtigte Kritik am Vorgehen der USA, aber dazu kommen auch noch russische Medien, die online wilde Theorien verbreiten und Verwirrung stiften".

Hier bestehe der Verdacht, dass russische Medien gezielt viele unterschiedliche Meldungen und Theorien einstreuen, damit Leute noch unsicherer werden. "Es ist nicht leicht für Bürger zu wissen, wo man stehen soll, vor allem weil ja die US-Politik auch immer wieder mit falschen Behauptungen aufgefallen ist – erinnern wir uns an den Irak-Krieg", sagt Brodnig.

Bürger verunsichern

Dabei gebe es Unterschiede zu früher, sagt die Internet-Expertin: "In Sowjetzeiten war russische Propaganda durchaus inhaltsbezogen, da ging es vor allem um den Kommunismus. Heute versucht die Propaganda vor allem gezielt mit verschiedenen Theorien Bürger zu verunsichern. Das können die russischen Medien extrem gut."

Zurzeit zeigen auch große Sender wie CNN Videos, die wiederum aus den USA kommen und angeblich Angriffe mit chemischen Waffen zeigen. Doch dieses Material wird dabei von den Sendern als nicht verifizierbar ausgewiesen. Wie sollen Medien damit umgehen? Manchmal müsse "der Journalismus in solchen Krisensituationen einfach ehrlich sagen, dass er auch nicht weiß, ob Bilder echt sind. Das wäre ehrlich und seriös", so Brodnig. Genau das passiert hier auch.

Kein Fake, aber ein negatives Beispiel für den Umgang mit Krieg auf Social Media: Der Journalist entschuldigte sich für seinen Tweet.

Relativ neu ist er natürlich noch immer, der Krieg in den Zeiten von Social Media. Etwa, wenn ein Journalist der "New York Times" das Foto eines Nachthimmels mit einer Rakete als "coolest photo" kommentiert und das tausende Menschen lesen, so Brodnig. "Der Reporter hat sich mittlerweile entschuldigt, aber wir erleben aktuell wirklich die negativen Facetten von Social Media."

Internationales Publikum

Es gebe aber auch durchaus positive Seiten. "Gerade die Weißhelme haben auch sehr viel Solidarität und Spenden bekommen", so Brodnig, "soziale Medien können auch eine Möglichkeit sein, internationales Publikum zu bekommen, wo man früher abhängig von Kriegsberichterstattern war".

Die Schwierigkeit, den Durchblick zu bewahren, gab es aber "bei militärischen Einsätzen höchstwahrscheinlich immer schon", räumt Brodnig ein. (Colette M. Schmidt, 15.4.2018)