Bei den Kosten für die Unfallversicherung liege Österreich im "guten unteren Drittel", meint Joachim Breuer.

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Wien – Ist die Verwaltung zu teuer? Könnte man nicht Strukturen in der Sozialversicherung zusammenlegen? Solche Diskussionen kennt Joachim Breuer aus vielen Ländern. Er ist Chef der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) und gleichzeitig Präsident der Internationalen Vereinigung für Soziale Sicherheit (IVSS), der 350 Sozialversicherungsinstitutionen aus 160 Staaten angehören.

Breuer hat weltweit viele Staaten beim Aufbau von Unfallversicherungssystemen beraten. Während in Österreich von Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) eine Diskussion über die Auflösung der Allgemeinen Unfallversicherung (AUVA) losgetreten wurde, gehe der internationale Trend seit langem in die gegenteilige Richtung, sagt Breuer im Gespräch mit dem STANDARD.

China baut eigenständiges System auf

Nämlich in Richtung eigenständiger Versicherungsträger, die Prävention, Rehabilitation und Entschädigungszahlung (Unfallrenten) unter einem Dach anbieten. China habe sich beispielsweise jahrelang weltweit umgesehen und sich dann für ein eigenständiges System entschieden. "Zwei Drittel der Länder der Erde haben heute eigenständige Unfallversicherungssysteme", meint Breuer.

Eine Aufsplittung auf verschiedene Bereiche – in Österreich ist im Gespräch, die Leistungen an die Krankenkassen und die Pensionsversicherung zu übertragen – würde aus Breuers Sicht falsche Anreize erzeugen. "Ein Beispiel: Ein Träger macht die Prävention. Ob er das gut oder schlecht macht, interessiert ihn dann nicht, denn das schlägt sich dann bei den Kosten eines anderen Trägers nieder, der für Rehabilitation und Heilbehandlung zuständig ist."

Jeder schaut nur auf sich

Das gleiche Problem werde ausgelöst, wenn die Rehabilitation und die Entscheidung über eine Unfallrente getrennt werden. "Jeder Träger schaut dann nur darauf, ob er seine Aufgabe für sich wirtschaftlich machen kann." Der gesamtwirtschaftliche Erfolg und jener für den einzelnen Patienten blieben auf der Strecke, argumentiert Breuer.

Die Kosten der Unfallversicherung liegen in Österreich bei 1,3 Prozent der Lohnsumme. Laut Regierungsprogramm soll der Beitrag, den die Arbeitgeber abführen, auf 0,8 Prozent gesenkt werden, weshalb die AUVA 500 Millionen Euro an Einnahmen verlieren würde. Laut Breuer liegt Österreich mit den aktuellen 1,3 Prozent "im guten unteren Drittel", sprich: In vielen Ländern sei die Versicherung teurer. Wobei er aber einschränkend hinzufügt, dass die Vergleichbarkeit wegen teilweise komplett unterschiedlicher Systeme kaum gegeben sei.

Verwaltungskosten kaum vergleichbar

Das gelte auch für die Verwaltungskosten, die bei der AUVA in Österreich bei rund sieben Prozent liegen. Zwar gibt es Staaten, in denen die Verwaltungskosten nur fünf Prozent ausmachen, in anderen Staaten wie Belgien liegen sie aber bei 20 Prozent. Im deutschen System wiederum, das von den Grundprinzipien dem österreichischen sehr ähnlich ist, werden zehn Prozent der gesamten Ausgaben für die Verwaltung aufgewendet. Aber wie gesagt: "Das ist alles ganz schwer vergleichbar."

Außerdem würden prozentuell niedrige Verwaltungsausgaben generell wenig aussagen. "Die AUVA könnte die Verwaltungskosten ruck, zuck halbieren, wenn sie doppelt so viele Unfälle und Berufskrankheiten ungeprüft anerkennen würde, weil dadurch die Leistungsausgaben steigen würden."

Aktuell liegt Österreich bei der Zahl der nichttödlichen Arbeitsunfälle ziemlich genau im EU-Durchschnitt, wie Eurostat-Zahlen zeigen.

Bei den tödlichen Arbeitsunfällen, die aber generell auf sehr niedrigem Niveau sind, liegt Österreich über dem EU-Schnitt.

Breuer gibt aber zu bedenken, dass es für die Unterschiede zwischen den Staaten viele Gründe abseits der Prävention geben kann. So seien in Ländern mit starker Industrie und großer Bauwirtschaft generell mehr Unfälle zu verzeichnen. Staaten, die stark technisiert sind und einen großen Dienstleistungssektor haben, hätten eher niedrigere Unfallzahlen. Und: Eurostat geht davon aus, dass in osteuropäischen Ländern Unfälle häufig nicht gemeldet werden, weil es keine finanziellen Anreize für die Opfer gibt. (Günther Oswald, 19.4.2018)