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Journalistinnen erleben in den sozialen Medien oft ein völlig anderes Feedback als ihre Kollegen: Es ist zutiefst sexistisch und nicht selten mit Gewaltandrohungen gespickt.

Foto: Reuters/Dado Ruvic

Seit #MeToo ist die alltägliche sexuelle Belästigung von Frauen in den verschiedensten Branchen seit Monaten verstärkt Thema in den Medien – weltweit. Und auch die, die darüber berichten, sind von dieser sexuellen Belästigung und der Herabwürdigung aufgrund ihres Geschlechts nicht ausgenommen. Das stellte das Center for Media Engagement (CME) in einer Umfrage unter Journalistinnen fest, die zeigte, wie sehr deren Geschlecht die Kritik an ihrer Arbeit dominiert.

Diese Kritik erreiche sie vor allem deshalb verstärkt, weil es heute Teil des Jobs sei, über soziale Medien Artikel zu teilen und so mit den Leserinnen und Lesern in Kontakt zu treten, heißt es im Report von CME. Das Center interessierte sich deshalb in der Umfrage auch dafür, inwiefern diese verbalen Übergriffe die Arbeit von Journalistinnen beeinflussen und welche Strategien sie sich zurechtlegen, um damit zurechtzukommen.

Gemeinsame Erfahrung: sexistische Kritik

Das CME befragte 75 Journalistinnen aus den USA, Großbritannien, Deutschland, Taiwan und Indien. Ihr Alter reichte von 21 bis 60, ihre Berufserfahrung von neun Monaten bis zu 35 Jahren – doch alle eint die Erfahrung, dass sie im Zuge der Verbreitung ihrer Berichte in den sozialen Medien anderer Kritik ausgesetzt sind als ihre Kollegen: Schnell gehe es um ihr Geschlecht, ihr Aussehen oder ihre Sexualität, berichteten die Journalistinnen in den Interviews. "Das war keine Kritik an meiner Arbeit, es war die Zerstörung meiner Person", erzählte eine Journalistin aus Deutschland.

Die Kritik an ihnen, berichten die Journalistinnen, sei sexistisch und beinhalte oft auch Androhungen sexueller Gewalt. Diese werde benutzt, um "uns einzuschüchtern", so eine indische Journalistin, "um uns zu ängstigen und uns daran zu hindern, unsere Arbeit zu machen". Von diesen Formen der Gewalt waren am häufigsten die 23 befragten TV-Journalistinnen betroffen.

Besonders heftig fallen die Reaktionen dann aus, wenn Frauen über Themen berichten, über die ansonsten vor allem Männer berichten, beispielsweise über Autos oder Videospiele. Auch Themen wie Migration, Ethnie, Feminismus oder Politik provozieren untergriffigere Reaktionen als andere Themen. Eine britische Journalistin wurde massiv sexistisch beschimpft, nachdem sie online einen Artikel über das Halal-Zertifikat für Muslime und Musliminnen publizierte. Eine Amerikanerin wurde Ziel zahlreicher Hasskommentare, nachdem sie über die "Black Lives Matter"-Bewegung geschrieben hatte.

Zurückhaltung ist die Folge

Derlei Erfahrungen bleiben nicht ohne Folgen für den Arbeitsalltag. Die Journalistinnen würden ihre Formulierungen auf Facebook zensieren, erzählen die Frauen über ihre Strategien. Der Umgang mit Hasskommentaren werde somit ein "normaler Teil des Jobs" heißt es in dem Report. Auch würden die Journalistinnen bei Berichten manchmal mitbedenken, was die Leser verärgern könnte – und deshalb zurückhaltender sein.

Und während manche der befragten Journalistinnen sich sexistische Kommentare mit "Wortfiltern" vom Leib halten, die Postings, die "sexy", "heiß" oder "Titten" beinhalten, von der Timeline entfernen, reduzieren andere ihre berufsbedingte Präsenz in den sozialen Medien auf null. Andernfalls müssten sie sich, erzählen die Frauen, "emotional wappnen". "Wenn ich für die Sonntagsausgabe etwas schreibe und die Kommentare über meinen Artikel in meinem Twitter-Feed landen, beschäftigt mich das das ganze Wochenende", erzählt eine Britin.

An ihre ArbeitgeberInnen möchten sich die meisten Journalistinnen aus Sorge, als "hypersensibel" zu gelten, lieber nicht wenden. Die befragten Journalistinnen vermissen Trainings oder andere Unterstützungen im Umgang mit Hasskommentaren. Dabei würden den Betroffenen schon Kleinigkeiten helfen, wie die Umfrage ergab, etwa Gespräche mit KollegInnen oder eine stringente Moderation der Online-Kommentare. Die weite Verbreitung von Sexismus und verbaler Gewalt gegenüber Journalistinnen erfordere aber auch Schulungen im Umgang damit, am besten gleich in den Journalismusausbildungen, resümiert der Report.

"Unser Umfrage zeigt, dass Journalistinnen Strukturen brauchen, die sie im Umgang mit Hasskommentaren unterstützen", sagt Gina Masullo Chen, Leiterin des Projekts und Vizedirektorin des Center for Media Engagement. Denn es sei "ein ernsthaftes Problem, wenn sich Journalistinnen einem Risiko aussetzen, indem sie ihren Job erledigen". (beaha, 17.4.2018)