Rot-Weiß-Rot und Schwarz-Rot-Gold: eine Burschenschafterdemonstration 2014 in der Wiener Innenstadt.

Foto: Christian Fischer

Und wenn da einer kommt und meint, die Grenze des politischen Verhaltens sei das Strafrecht, dann irrt er. Denn die Grenze des politischen Verhaltens wird nicht vom Strafrecht, sondern durch die Moral bestimmt." So, oder so ähnlich hätte einst eine knappe Zurechtweisung der neuen Rechten durch Bruno Kreisky gelautet.

Nicht die Einzelfälle, sondern die Summe der zur Realität gewordenen rechten Stereotype zeigt die Tendenz dieser europaweit metastasierenden Dekultivierung. Rechts erinnert an "ausgeatmete politische Luft, ohne frischen Atem", wie Herder in seiner "Italienischen Reise" in anderem Kontext formulierte. Nicht nur die bereits zur Gewohnheit gewordenen Einzelfälle zünftiger NS-Zitate und Alltagsrassismen bilden das inhaltliche Sprachunheil.

Auch der aggregierte, hasserfüllt-freudige Bierzeltjubel, wie etwa jener angesichts der Grünen-Selbstzerstörung, zählt zum rechten Repertoire; mit seinen volkstümelnden, einander brüllend überjodelnden Stimmen und Postings. Spiegelt man diese Verbalradikalismen, kann man verkürzt formulieren: Rechte Ordnung herrscht, wenn die Flüchtlinge draußen sind und die homogene Volksgemeinschaft drinnen und so getan wird, als distanziere man sich von nationaler Deutschtümelei wie von einer heimlichen Geliebten.

Rechts-Staaten ...

Von Wien bis Berlin, von Budapest bis Warschau und von Rom bis Paris sind vermehrt Zusammenrottungen rechter Gruppierungen zu beobachten. Sogar rechte Intellektuelle kriechen wieder aus ihren staubbedeckten Hinterzimmern. Vor Ressentiments triefend, jedoch friedlich lächelnd. Sie sind die rechten Nachbarn der Migranten und unterzeichnen, wie zuletzt in Deutschland, freundlich nickend eine perfide Erklärung 2018. Sie beschwören darin einen nicht näher definierten Kontrollverlust durch schrankenlose Migration und möchten einfach nur, dass die "Beschädigung" Deutschlands aufhöre.

... und Verbalradikalismus

Dieses Musterbeispiel für "Verbalradikalismus des sanften Wortes" erzeugt mit seiner die Komplexität des Themas ignorierenden vagen Formulierung jenen Identifikationsraum, in dem sich eine große gesellschaftliche Gruppe eingerichtet hat. Rechts-Wähler sind heute nicht ungebildete Rumpelstilzchen des Unbehagens, sondern auch Menschen der gesellschaftlichen Elite. Der Übergang vom Wohlstands- und Bildungsbürger zum rechtskonservativen Wutbürger ist längst fließend geworden. Auch in den obersten Sinusmilieus geht die diffuse Angst vor "Überfremdung" und "moslemischer Umvolkung Europas" um, ähnlich wie die absurde Aids-Angst in Altersheimen.

Hegels Dialektik von Herrschaft und Knechtschaft findet erneut ihre Bestätigung. Die elektronische Sedierung der Massen durch Social Media mit deren lustigem Like-Button-Kosmos war nur ein erster erfolgreicher Schritt. Denn das Wahlvolk könnte künftig nicht mehr nur elektronisch, sondern ganzheitlich sediert und manipuliert werden. Zu den mittelfristigen Zielen der Genforschung zählt, auch das menschliche Verhalten genetisch steuerbar und damit manipulierbar zu machen. Vor allem für die inoffiziellen Forschungsprogramme der USA, Russlands und Chinas im weiten Feld der Behavioral Genetics gilt: Alles, was technisch möglich ist, wird gemacht.

Heute sind es "nur" sanfte craniale Stromschläge in die für Motorik zuständigen Bereiche der Großhirnrinde von ohnehin bereits hochgedopten Spitzensportlern, um auch noch die letzten mentalen Barrieren zu beseitigen. Morgen erfolgt der genetische und neuronale Zugriff auf Soldatengehirne aller militärischen Gattungen, deren Schmerz- und Angstfrei-Machen. Übermorgen der Griff nach der Masse, elektronisch wie verhaltensgenetisch, das Wahlvolk soll steuerbar werden und sich auch noch wohl dabei fühlen.

Neue Dystopien ...

Die gegenwärtigen Rechten hierzulande, in der Europäischen Union, in Washington und Moskau stellen noch nicht das Hauptproblem dar. Die meisten von ihnen sind nur politische Übergangsfiguren. Doch sie sind die Wegbereiter für die zukünftigen rechten Herren und deren globale politische Ernte. Denn der eigentliche gesellschaftspolitische Skandal der Zukunft wird der durchschlagende Erfolg dieser sich im Zuge der vierten Industriellen Revolution anbahnenden rechten Ordnung werden.

Gegen die kommende neue Rechte und als Schutz vor der künftigen Klassengesellschaft fehlt ein starkes linkes Gegengewicht, doch dieses ist weit und breit nicht in Sicht. Den zunehmend erodierenden Linken ist der fehlende Schulterschluss vorzuwerfen, das, was der amerikanische Bürgerrechtler Martin Luther King, dessen 50. Todestag wir eben begangen haben, als "das Schweigen unserer Freunde" beklagte. Weder die linken Parteien noch die Gewerkschaften scheinen mit ihrem isolierten nationalen Handeln dazu beitragen zu können, die dependenten Massen künftig zu schützen.

... und rechte Gefahr

Zu wenige haben die "Gefahr von rechts" als Warnsignal auf einer gemeinsamen Agenda, denn Politiker richten ihren Blick zumeist nicht in die Zukunft, sondern nur auf die nächste Wahl. (Paul Sailer-Wlasits, 17.4.2018)