Unerwarteter Fund am Meeresgrund: Müttergruppen von brütenden Kraken.
Foto: Phil Torres and Geoff Wheat

Chicago – Geologen der University of Alaska waren im Pazifik mit einem Tauchfahrzeug auf der Suche nach hydrothermalen Quellen unterwegs, als sie etwas entdeckten, das 1) mit ziemlicher Sicherheit das eine oder andere "Cthulhu"-Posting auslösen wird und 2) die Forscher gehörig überraschte: Ein wahres Gewimmel von Kraken am Meeresgrund – und das in einer Tiefe von 3.000 Metern, in der die Tiere gar nicht vorkommen sollten.

"Als ich die Fotos zum ersten Mal sah, dachte ich: 'Nein, die sollten dort nicht sein! Nicht so tief und nicht so viele davon'", sagt die Zoologin Janet Voight vom Chicagoer Field Museum. Sie konnte die lilafarbenen Tiere in der Größe eines Speisetellers der Gattung Muusoctopus zuordnen. Allerdings dürfte es sich um eine bislang unbekannte Art handeln, wie die Forscherin zusammen mit ihren Kollegen aus der Geologie im Journal "Deep Sea Research I" berichtet.

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Bei sämtlichen Tieren handelte es sich um Mütter, von denen die meisten Eier mit den Fangarmen umschlungen hielten. Zweimal tauchten die Forscher zu der Dorado Outcrop genannten Stelle 160 Kilometer vor der Küste Costa Ricas ab. In beiden Fällen fanden sie Müttergruppen von an die 100 Exemplaren vor, die auf jedem Stein des Areals Platz genommen hatten. Der Meeresboden ist dort von der ausgehärteten Lava eines Unterwasservulkans bedeckt, aus deren Ritzen immer noch warme Flüssigkeit dringt.

Auf den ersten Blick könnte man meinen, dass die Krakenmütter diese Wärme zum Ausbrüten der Eier verwenden, aber das ist ein Irrtum, wie Voight betont. Diese Kraken brauchen kaltes Wasser. Wärme erhöht ihren Sauerstoffbedarf – während warmes Wasser gleichzeitig weniger Sauerstoff enthält. Für die Tiere ist es also eine alles andere als günstige Umgebung: Die Forscher stellten fest, dass die beobachteten Kraken Anzeichen von starkem Stress aufwiesen – und in keinem der Eier regte sich sichtbar ein Embryo. Voight spricht von "Selbstmord".

Auch dieses Weibchen hat kaum Chancen auf Nachkommenschaft.
Foto: Phil Torres, Geoff Wheat

Die Forscherin glaubt aber auch die Lösung des Rätsels gefunden zu haben, warum die Krakenweibchen just dort ihre Brut hüten – immerhin die einzige, die sie im Lauf ihres kurzen Lebens haben werden. Die Kolonie an der "Oberfläche" dürfte nur der Überschuss einer anderen sein, die sich ein Stück tiefer versteckt: in Felsklüften, in denen das Wasser kühler und sauerstoffreicher ist.

Das aufgenommene Videomaterial bestätigt diese Vermutung: Gelegentlich sahen die Forscher Tentakel aus Spalten hervorragen. Dort dürften sich also die eigentlichen Brutstätten befinden – in einer so günstigen Umgebung, dass der Krakenbestand insgesamt boomt. Die Mütter auf dem "Dach" und ihre zum Untergang verurteilte Brut sind nur die Unglücklichen, die dort keinen Platz mehr gefunden haben. (jdo, 18. 4. 2018)