FP-Stiftungsrat Norbert Steger, ORF-Chef Alexander Wrabetz.

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Nicht schlecht, die ORF-Sager des Herrn Norbert Steger, der im Namen der FPÖ Vorsitzender des ORF-Stiftungsrats werden möchte. Täglich steigert er sich bravourös in seiner Ein- und Wertschätzung von Medienmenschen. Außerhalb des ORF konstatiert er "falsche Journalistensolidarität" – innerhalb der Anstalt den "Endkampf" mancher Linker in der Informationsabteilung.

Emotionen herunterfahren

Der Vizekanzler (FPÖ) nimmt Parteifreund Steger in Schutz: Er sei falsch interpretiert worden. Unverblümt und kurz meint am Mittwoch auch der Bundeskanzler (Liste Kurz / ÖVP) im Zuge des Ministerrats: Die Emotionen sollten heruntergefahren, die Diskussion versachlicht werden. Frage: Wer ist damit gemeint? Steger oder die Journalisten?

So viel Unerhörtes haben wir Steger in den vergangenen Tagen zum ORF sagen hören, dass sich manche fragen, wie das dann so sein werde, sollte er Vorsitzender des Stiftungsrats werden. Er sieht sich übrigens auch jetzt in seiner Funktion als gemeiner Stiftungsrat als Eigentümervertreter. Frage: Ist der ORF also Staatssender und Eigentum von Regierungsparteien oder ein öffentlich-rechtlicher Medienbetrieb, dessen Eigentümer allenfalls wir alle sind?

Begonnen hat alles mit Stegers in einem Interview mit den Salzburger Nachrichten veröffentlichtem Standpunkt, ein Drittel der ORF-Korrespondenten müsste eingezogen werden, wenn sie nicht "korrekt berichten".

Anlass war die objektive und fundierte Berichterstattung des ORF-Korrespondenten Erst Gelegs, der bereits seit vielen Jahren aus Ungarn berichtet. Steger meinte, Gelegs sei einseitig Orbán-kritisch gewesen. Frage: Wären Jubelrufe korrekt gewesen? Sollen, wenn es nach Steger und der FPÖ geht, fortan alle ORF-Journalisten und -Journalistinnen Kreide fressen, wenn sie über autokratische Regierungschefs berichten, die, kaum im Amt, Meinungsvielfalt und Presse- beziehungsweise Medienfreiheit weitgehend abgeschafft haben und mit antisemitischen Beschuldigungen gegenüber "Feinden" brillieren?

Proteste und Warnungen

Gut, dass der ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz sofort den Dienstvertrag des Ungarn-Korrespondenten Gelegs bis 2021 verlängert hat. Gut auch die Journalistensolidarität seitens der Printmedien. Gut, dass Proteste und Warnungen vor einer unbotmäßigen Politisierung des öffentlich-rechtlichen ORF so stark waren – in der Analyse ebenso wie im Bereich der Emotionen. Derart angekündigte Disziplinierungsmaßnahmen können sich auch leicht durch die Hintertür einschleichen. Sollte sich Steger mit seinen Ansichten durchsetzen, ist Feuer am Dach. Manche sprechen bereits jetzt von Nötigung.

Angesichts des langen Schweigens des Kanzlers zu den skandalösen Sagern aus den Reihen seines Koalitionspartners war der Eindruck entstanden, dass Österreichs Regierungschef eine medien- und demokratiefeindliche Politik problemlos duldet. Am Mittwoch erklärte er sich nach dem Ministerrat zum überzeugten Fan der Pressefreiheit. Begleitet von dem oben zitierten Appell, Emotionen zurückzufahren. Frage: Sieht er nicht, was da gespielt wird und was da alles auf dem Spiel steht? Der Eindruck könnte entstehen, dass ihm selbst Stegers Ansichten zusagen. (Rubina Möhring, 19.4.2018)