Wien – "Ganz gleich, wie gewaltig die Dunkelheit ist, wir müssen uns mit unserem eigenen Licht versorgen", sagte Stanley Kubrick. Und das tun die Figuren in den Prosawerken von Clemens J. Setz. Auch wenn es oft nur das leuchtende Display des Smartphones ist oder der nächtliche Schimmer des Fernsehgeräts.

Agathe und Ulrich, einander in Abhängigkeit verbundene Gefährten (Tamara Metelka, Nicholas Ofczarek).
Foto: Thimfilm

Es sind Menschen, die sich auf durchaus selbstbewusste Weise mit der Einsamkeit herumschlagen. Alexander Kerfuchs zum Beispiel, der verlassene Sohn aus dem Roman Die Frequenzen, oder die nach einer Trennung wie isoliert durch den Alltag driftende Behindertenbetreuerin Nathalie (Die Stunde zwischen Frau und Gitarre).

In der Kurzgeschichte Zauberer, mit der Sebastian Brauneis nun sein Spielfilmdebüt gibt – am Drehbuch haben Setz selber sowie Nicholas Ofczarek mitgearbeitet -, versucht ein Bündel an Protagonisten dem Alleinsein zu entkommen. Eine Mutter (Michaela Schausberger) betreut ihren im Wachkoma liegenden, fast erwachsenen Sohn und bestellt sich Callboys ins Haus, damit vielleicht auch das Kind etwas davon hat. Die Schulkrankenschwester Evelyn (Regina Fritsch) entführt einen jungen Buben, um nach der Kündigung in ihrer Wohnung nicht allein zu sein. Der halbwüchsige Marcel (Joel Basmann) wiederum geht in die Go-go-Bar und hinterlässt auf der Toilettenwand seine Mobiltelefonnummer.

Österreichischer Film noir

Zauberer ist eine Art österreichischer Film noir, der die oft rätselhaften Wege seiner Figuren in einem düsteren bis kühlen Sozialrealismus zeigt, der, so könnte man behaupten, die Bildwelten von Ulrich Seidl und David Lynch kurzschließt. Diese Spannweite geht sich allerdings nicht immer aus. Den bedeutungsschweren Darstellungen hinken die darin enthaltenen Behauptungen oft hinterher, als hätte Brauneis das Figurenpanorama in eine noch abgründigere Welt zerren wollen, als es bei Clemens Setz ursprünglich der Fall war.

Vor allem geht das einander in zerstörerischer Abhängigkeit zugetane Paar Agathe (Tamara Metelka) und Ulrich (Nicholas Ofczarek) einen steilen Weg, der die Schattenwelt dieses urbanen Siedlungskosmos – gedreht wurde in Transdanubien – ins etwas plump Gespenstische wendet. Agathe ist blind und lässt sich die Umwelt von ihrem aggressiv-fürsorglichen Mann auf jeweils dramatische, lustgewinnende Weise beschreiben. Ein Job, den er liebt.

Thimfilm Filmverleih

Die Lebensräume der Figuren ragen ineinander, aber traurigerweise führen die Begegnungen zu nichts oder zumindest zu nichts wirklich Gutem. Doch ist Zauberer viel zu aufregend, um traurig zu sein. Der Film zeigt die Erfahrung der Einsamkeit nie an ihrem Schmerzpunkt, eher in den zuweilen originellen oder abgründigen Gegenmanövern. Schon das Entlangrattern einer leeren Plastikflasche am Eisenzaun kann von ihr kurzzeitig befreien.

Vieles erzählt sich über die prononcierten Lichtverhältnisse, die zwischen künstlichem, nächtlichem oder bewölktem Zustand changieren. Etwa ein warmer Lichtkegel über dem Esstisch und einer temporären Zweisamkeit, auf die ringsum die Finsternis lauert. Trotz solch hochfahrender Bildsprache bleiben die Figuren das, was sie bei Setz so interessant macht: Geheimnisträger. (Margarete Affenzeller, 20.4.2018)