Wien – Die neue Ära entpuppt sich für die ohnehin am unteren Ende schuftenden Arbeiter als Enttäuschung. In Kehrein, Kehraus (1995) sucht der deutsche Dokumentarfilmer Gerd Kroske jene drei Straßenkehrer wieder auf, die er 1990 kurz nach der Wende schon einmal porträtiert hat. Die fünf Jahre haben ihrem Berufsleben nicht gutgetan. Keiner von ihnen arbeitet mehr, die tote Zeit wird mit Kneipenbesuchen und Arbeitsamt überbrückt. Oft sitzt man einfach nur zu Hause herum.

Ausgemustert: ein Straßenkehrer aus Gerd Kroskes Dokumentarfilm "Kehrein, Kehraus".
Foto: Filmarchiv

Gerd Kroske erforscht in seinen Filmen Brüche und Verwerfungen zwischen den Zeiten – ähnlich einem "Geologen" (Christa Blüminger). Kehrein, Kehraus ist nun bei der Filmarchiv-Schau Suche Arbeit, mache alles im Metro zu sehen; dass man auf die anderen beiden Teile der Trilogie verzichtet hat (der letzte stammt von 2006), ist etwas schade. Zumal Langzeitbeobachtungen, wie auch Nikolaus Geyr halters Dokumentarfilm Über die Jahre zeigt, der schleichenden, umfassenden Erosion durch Arbeitslosigkeit besondere Anschaulichkeit verleihen. Geyrhalter hat die ehemaligen Arbeiter einer Textilfabrik im Waldviertel zehn Jahre lang begleitet, der Film erzählt deshalb auch viel über den neoliberalen Wandel des Arbeitsbegriffs.

Classic Movies Preview

Der älteste Film in Suche Arbeit, mache alles – der Titel geht auf ein Schild aus den 30ern zurück – ist aus dem Jahr 1924, F. W. Murnaus Der letzte Mann, in dem ein Hotelportier seinen Job und damit sukzessive seine Würde verliert. Etliche der anderen Spielfilme (von Ken Loach, Stéphane Brizé oder den Brüdern Dardenne) sind jüngeren Datums. Eine kleine Rarität dagegen ist William A. Wellmans Kriegsheimkehrerdrama Heroes For Sale (1933).

Spectacle Theater

Sucht man einen Film, in dem die Veränderung des Arbeitsethos deutlich wird, bietet sich Hervè le Roux’ monumentale Studie Reprise an: Aus einem Studentenfilm von 1968 über die Wiederaufnahme der Arbeit nach einem Streik sticht eine Frau heraus, die sich weigert, in die Fabrik zurückzukehren. Le Roux begibt sich ein Vierteljahrhundert später auf die Suche nach ihr – und findet in Gesprächen mit Arbeitern etwas anderes: eine Sozialgeschichte von Kämpfen, die auch ein Klassengefühl morsch werden ließen.

Die Filme werden fast ausnahmslos von Einführungen begleitet. (Dominik Kamalzadeh, 20.4.2018)