Bei der Mammografie werden oft Erkrankungen gefunden, die der Patientin lebenslang keine Beschwerden machen würden.

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"Es ist an der Zeit zu kommunizieren, dass Screenings auf Krebserkrankungen nicht nur positive Aspekte haben", sagt der Gynäkologe und Präsident des Vorarlberger Arbeitskreises für Vorsorge und Sozialmedizin, Hans Concin. Gerade in Vorarlberg sei man in vielen Fällen seit Jahrzehnten dem Rest Österreichs in Sachen Prävention und Früherkennung voraus.

Gemäß internationaler Entwicklungen, so der Experte, sollte auch in Österreich das Screening, also die möglichst breite Untersuchung der Bevölkerung auf mögliche Krebserkrankungen, vermehrt auf Risikogruppen eingegrenzt werden. "Screening soll Leben retten oder die Lebensqualität durch frühzeitige Erkennung einer Erkrankung erhöhen", sagt Concin. Das sei aber nicht immer der Fall.

Vor einigen Jahren wurde in Österreich das vor allem von Gynäkologen geforderte Screeningprogramm auf Brustkrebs mit alle zwei Jahre erfolgenden Einladungen ins Leben gerufen. Die Sache hat laut Concin aber auch eine Kehrseite: "Für ein gerettetes Menschenleben haben wir drei Frauen mit Überdiagnose. Eine Überdiagnose bedeutet, dass die Diagnose Brustkrebs zwar korrekt gestellt wird, die festgestellte Erkrankung der Patientin aber lebenslang keine Symptome machen wird."

Unnötige Therapien

Zusätzliche Untersuchungen mit invasiven Eingriffen und nicht notwendige Übertherapien sind dann zumeist die Folge. "Hinzu kommt, dass mit der Einführung eines solchen Massen-Screenings die Zahl der Diagnosen um 20 bis 30 Prozent in die Höhe schnellt", sagt Concin. Screening-Programme würden offenbar eher dazu neigen, "indolente", also eher ungefährliche onkologische Erkrankungen zu finden. Nur in der Altersgruppe zwischen 50 und 70 Jahren sei für Frauen statistisch und epidemiologisch der Nutzen der Teilnahme am Mammakarzinom-Screening-Programm wirklich belegt.

Um das möglichst auszuschalten – neben dem Mammakarzinom ist die PSA-Labor-Blutuntersuchung auf einen Prostatakarzinomverdacht bei Männern das Gegenstück zum Mammarkarzinom-Screening der Frauen –, sollten Bemühungen angestellt werden, so der Experte, speziell Risikogruppen zu untersuchen. In den USA würden Wissenschafter derzeit entsprechende Kriterienkataloge erstellen. Suche man dann in den Personengruppen mit erhöhtem Risiko per Screening-Untersuchungen nach Tumorerkrankungen im Frühstadium werde man öfter fündig mit geringerem Risiko für Überdiagnosen und mit Vermeidung von unnötigen Therapien und Eingriffen.

"Laut US-Studien sind 20 Prozent aller Mammakarzinom-Erkrankungen das Resultat von Überdiagnosen", sagt Concin. Anders sei die Situation bei Dickdarmkrebs und bei Gebärmutterhalskrebs. Da wären die Erkenntnisse aus Screening-Untersuchungen (Koloskopie bzw. Abstrichuntersuchung) jeweils eindeutig. Und durch die Beseitigung von Krebs-Vorstufen (Dickdarmpolypen bzw. Entfernung des betroffenen Gewebes am Gebärmutterhals) könne man echte Krebsverhütung betreiben. Das sei natürlich die allerbeste Variante, so der Gynäkologe. (APA, 22.4.2018)