Innenminister Herbert Kickl verteidigte das Überwachungspaket

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Das Sicherheitspaket mit einer Ausweitung der Überwachungsmöglichkeiten hat mit den Stimmen der Regierung am Freitagnachmittag den Nationalrat passiert. Mit der Novelle erhält die Polizei Zugriff auf einen Großteil der Überwachungskameras im öffentlichen Raum, es werden anonyme Wertkartenhandys verboten, und ebenso wird ein "Bundestrojaner" ermöglicht sowie eine Art Vorratsdatenspeicherung light etabliert. Ergänzend dazu brachte die Regierung ein sogenanntes Datenschutzpaket auf Schiene. Es erleichtert die Weitergabe von persönlichen Daten an Wissenschaftseinrichtungen und Unternehmen. Dass auch Elga-Daten weitergegeben werden können, sorgte schon seit Tagen für Unmut. So sieht SP-Gesundheitssprecherin Pamela Rendi-Wagner darin eine Verunsicherung von Patienten und Ärzten in einem höchst sensiblen Bereich.

"Diese sind zu schützen, und dazu stehe ich"

Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) reihte sich in die Reihe der Kritiker ein und kündigte am Donnerstag an, Gesundheitsdaten nicht freizugeben zu wollen. Wie die Justizdaten auch müssten die Elga-Daten im Forschungsorganisationsgesetz ausgeschlossen werden: "Diese sind zu schützen, und dazu stehe ich." Mit dieser Position stand Hartinger-Klein am Freitag allerdings mehr oder weniger allein in der türkis-blauen Koalition da. Die Regierung beschloss die Weitergabe der Daten, versichert aber, dass diese nur anonymisiert und ausschließlich zu wissenschaftlichen Zwecken weitergegeben werden dürften. Freilich wurde dies nicht gesetzlich determiniert, sondern bloß über einen unverbindlichen Entschließungsantrag, der nicht mehr als eine Handlungsempfehlung an die zuständige Ministerin ist. Immerhin ist festgelegt, dass das Ministerium der Datenweitergabe zustimmen muss.

Gesundheitsministerin Hartinger-Klein (FPÖ) hatte angekündigt, keine ELGA-Daten für die Forschung weitergeben zu wollen. Dennoch hat die Regierung im Nationalrat eine solche Datenfreigabe beschlossen.

Für die Neos stellte deren Wissenschaftssprecherin Claudia Gamon klar, dass ihre Fraktion die Erleichterung des Zugangs zu Daten für Forschungszwecke inhaltlich voll teile. Es werde nur in der Gesetzesvorlage kein hohes Datenschutzniveau garantiert. Daher sei es letztlich nur eine Frage der Zeit, bis das Gesetz vor dem EuGH lande.

Staatliche Spionagesoftware

Das größere Gesetzespaket bringt mehr Überwachung. Der "Bundestrojaner" meint den Einsatz staatlicher Spionagesoftware zur Überwachung verschlüsselter Nachrichten beziehungsweise von Messengerdiensten wie Whatsapp und Skype im Internet. Die Software kann etwa bei Verbrechen mit einer Strafobergrenze von mehr als zehn Jahren, bei einem Verdacht auf terroristische Straftaten oder bei Straftaten gegen Leib und Leben sowie die sexuelle Integrität mit einer Strafobergrenze von mehr als fünf Jahren eingesetzt werden.

Weiters im Paket enthalten: In Verdachtsfällen wird künftig eine anlassbezogene Vorratsdatenspeicherung in Form eines "Quick-Freeze-Modells" möglich sein. Auch wird es Behörden erleichtert, Briefe und Pakete zu beschlagnahmen, ohne dass sich der Beschuldigte in Haft befinden muss. Vorgesehen ist auch der Einsatz von sogenannten IMSI-Catchern, mit denen die Polizei Handys orten kann, und das Aus für anonyme Wertkartenhandys. Ab Jänner 2019 müssen sich Kunden bei jedem Kauf einer SIM-Karte identifizieren, wobei u. a. Namen und Anschrift durch den Telekomanbieter zu registrieren sind. Ergänzend dazu bekommen Behörden Zugriff auf öffentliche Kameras.

Kontroversielle Debatte

Das Paket ist am Freitag im Nationalrat kontroversiell debattiert worden. Während die Oppositionsparteien die Maßnahmen kritisierten und vor einem Überwachungsstaat warnten, verteidigten ÖVP und FPÖ die aus ihrer Sicht maßvollen Vorhaben. Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) betonte, er sei als Ressortchef für den größtmöglichen Schutz der Bevölkerung verantwortlich.

"Unsicherheitspaket" und "tätlicher Angriff auf das Grundrecht"

SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim sprach gleich eingangs von einem "Unsicherheitspaket" und kritisierte unter anderem den geplanten Bundestrojaner. Über Handys würde auch auf Daten von unbeteiligten Personen zugegriffen, die mit Verdächtigen in Kontakt stehen, gab er zu bedenken. Er forderte hingegen, zuerst zu evaluieren, welche Möglichkeiten es für Ermittlungen bereits gebe und ob diese nicht ausreichen. Jarolim warnte außerdem vor den Missbrauchsmöglichkeiten und kündigte an, weiterhin gegen den "Schwachsinn" anzukämpfen.

Am Freitagvormittag demonstrierte die SPÖ gegen das Überwachungspaket vor dem Parlament.
DER STANDARD

Von einem "tätlichen Angriff auf das Grundrecht" und einem Schritt zum "umfassenden Überwachungsstaat" sprach Nikolaus Scherak von den Neos. Er hielt der FPÖ vor, dass sie in der letzten Legislaturperiode in Opposition selbst noch die geplanten Maßnahmen kritisiert habe. Ein Programm, das lediglich auf Nachrichten auf dem Handy zugreift, gebe es noch nicht, und das Warten darauf sei "wie der Wunsch nach warmen Eislutschern". Es werde somit auf alle Daten am Gerät zugegriffen: "Das ist die große Gefahr." Die Bundesregierung verabschiede sich von der Internetsicherheit, denn wenn Lücken da seien, müssten diese geschlossen und nicht offen gehalten werden, zeigte sich der Neos-Mandatar verärgert.

"Bundestrojaner ist Instrument des Staatsdatenterrorismus"

Alfred Noll (Liste Pilz) betonte, dass es sich "selbstverständlich" um ein Überwachungspaket handle, und legte sich mit FPÖ-Klubchef Walter Rosenkranz an: Man kämpfe in einer anderen intellektuellen Gewichtsklasse, meinte er. Inhaltlich gab er zu bedenken, dass man für den Bundestrojaner mit jedem Update am Gerät eine neue Version benötige. Deshalb geht er davon aus, dass die veranschlagten Kosten "illusorisch" sind. "Dieser Bundestrojaner ist ein Instrument des Staatsdatenterrorismus", so Noll.

Innenminister Kickl hingegen zeigte sich über das "größte Sicherheitspaket" erfreut, denn es ermögliche Prävention und Kriminalitätsbekämpfung auf der Höhe der Zeit. "Es ist modern, es ist adäquat", so Kickl, der sich gegen den Begriff Überwachungspaket wehrte. Mit den Maßnahmen werde die Masse geschützt, überwacht würden nur die einzelnen Kriminellen. "Wir reden von Schwerkriminellen, von organisierter Kriminalität und Schlepperei."

FPÖ: Ohne Eingriff in das Grundrechts gehe es nicht

Kritik übte er an den Oppositionsvertretern, denn diese würden die Bevölkerung verunsichern. Mit dem Sicherheitspaket sei hingegen die richtige Balance zwischen der Einhaltung von Grund- und Freiheitsrechten sowie der Strafverfolgung gefunden worden. Als Innenminister sei er für den größtmöglichen Schutz vor terroristischer Bedrohung verantwortlich. An Jarolim gewandt forderte Kickl, dieser müsse die Verantwortung übernehmen, wenn ein einziges Terroropfer durch die Anwendung von Überwachungsmaßnahmen verhindert werden hätte können. Auch die Registrierung von Prepaid-Handykarten verteidigte Kickl und verglich diese mit Autokennzeichen – auch hier gebe es keinen Generalverdacht. Auch Videomaterial etwa aus U-Bahn-Stationen werde nur im Anlassfall genutzt, um etwa Fluchtwege zu rekonstruieren.

Der freiheitliche Abgeordnete Harald Stefan räumte ein, dass die FPÖ in der vergangenen Legislaturperiode in Opposition noch gegen das Sicherheitspaket gewesen sei. Inzwischen seien jedoch nach den Begutachtungsverfahren viele Stellungnahmen berücksichtigt und eingearbeitet worden. Ohne Eingriff in das Grundrecht gehe es nicht, Stefan verwies aber auf den Rechtsschutz und die gerichtliche Anordnung von Maßnahmen.

ÖVP verärgert

ÖVP-Sicherheitssprecher Werner Amon zeigte sich über die Kritik der Opposition verärgert, denn diese verunsichere die Bevölkerung. Überrascht gab er sich über Aussagen von SPÖ-Mandatar Jarolim über eine schlechte Ausstattung der Polizei. Die SPÖ habe immerhin Regierungsverantwortung getragen, so Amon. Auch er lehnt den Begriff Überwachungspaket ab und betonte, dass etwa der Zugriff auf bereits vorhandenes Bildmaterial auf Flughäfen oder in U-Bahnen erfolge: "Wir setzen es jetzt in einen rechtlich einwandfreien Rahmen." Im Anlassfall könnten die Sicherheitsbehörden auf diese Daten zugreifen. "Das hat mit Massenüberwachung nichts zu tun, aber was Sie tun, ist Massenverunsicherung", so der ÖVP-Abgeordnete. "Es gibt keine Freiheit, wenn es nicht auch Maßnahmen für die Sicherheit gibt", außerdem dürfe Datenschutz nie zum Schutz für Kriminelle dienen. (APA, 20.4. 2018)