Foto: Elmar Buchner
24 Zentimeter groß, zehn Kilogramm schwer. Die Wiener Besitzerin der Statue will sie für einen siebenstelligen Betrag verkaufen. Für Forschungen steht sie nicht zur Verfügung.
Foto: Elmar Buchner

Der sogenannte Buddha aus dem All ist einzigartig: Er besteht aus Meteoritengestein und ist damit die einzige Statue weltweit aus diesem Material. Als das Gestein der Statue 2012 dem Meteoriten Chinga durch deutsche Wissenschafter um Elmar Buchner zugeordnet werden konnte, wurde noch ein anderer Aspekt betont: Die Statue mit Swastika auf der Brust sei von Hitlers SS Ende der 1930er aus Tibet gestohlen worden – im Rahmen einer von Ernst Schäfer geleiteten Expedition. Somit war der Mythos vom Nazibuddha aus dem All geboren, der einen wahren Wissenschaftskrimi auslöste, der nun durch eine neue Theorie gelöst sein könnte.

Als Isrun Engelhardt über die rätselhafte Herkunft der Statue in den Medien las (auch der STANDARD berichtete), wusste sie, dass dabei etwas nicht stimmen konnte. Sie kennt Ernst Schäfer. Die im Ruhestand lebende Tibethistorikerin hat jahrelang über den Leiter der Naziexpedition nach Tibet (1938–1939) geforscht. 12.119,80 Reichsmark hat Schäfer für Objekte aus Tibet ausgegeben, heute 50.000 Euro. Jeder Kauf der mehr als 2.000 Objekte wurde damals akribisch in Listen dokumentiert, die Engelhardt aufgearbeitet hat. Eine Buddhastatue aus Meteorit war nicht dabei.

Warum sollte Schäfer auch so einen Buddha mitnehmen? Das Hakenkreuz ist falsch herum, und in Tibet gibt es die doch überall – als buddhistisches Sonnensymbol. Schäfer selbst war ein Zoologe. In Tibet hat er weniger Ahnenforschung betrieben, sondern im Stile der kolonialen Großexpeditionen gesammelt.

"Kein Meisterwerk"

Der Buddha, der eine Hose trägt, sieht anders aus als die Buddhas aus Tibet, Nepal oder Indien, die Engelhardt schon gesehen hat. Die Statue ist 24 Zentimeter hoch, grob verarbeitet, "kein Meisterwerk". Der Buddha ist 2007 aufgetaucht, als der Russe Igor Kaledin ihn in Europa zum Verkauf anbot, unter anderem dem Mineralogen Elmar Buchner. Er und sein Team konnten später nachweisen, dass er aus dem Chinga-Meteoriten gemeißelt wurde, der vor 15.000 Jahren in der Mongolei einschlug.

20.000 Euro wollte Kaledin von Buchner, quasi den Materialwert. Doch am Ende erwarb sie Gero Kurat, früherer Leiter der Mineraliensammlung des Naturhistorischen Museums in Wien. Er kaufte sie privat, in der Hoffnung, die Statue seinem Museum weiterzuverkaufen, sobald es wieder Geld hatte, berichtet Engelhardt. Doch 2009 starb Kurat, und die Statue ging in den Besitz der Familie in Wien über. Diese verlangt nun einen siebenstelligen Betrag.

Doch wenn nicht Schäfer die Statue nach Europa brachte, wer dann? Und wer ist der Buddha überhaupt? Auf der Suche nach Antworten kaufte Engelhardt sogar einen Teil eines Chinga-Meteoriten. Für den Souvenirmarkt war er nicht. Viel zu teuer ist Meteorit, viel zu schwer zu behandeln, war ihr bald klar. Schließlich war es Elke Hessel, Leiterin des Tibethaus Frankfurt, die sie auf eine heiße Spur brachte: die Ähnlichkeit mit Nikolaus Roerich.

Russischer Esoteriker in Tibet

Der russische Maler und Mystiker zog in den 1920ern durch Asien. Er glaubte, der Dalai Lama des Westens und König von "Shambhala" zu sein, also einem buddhistischen Utopia, das viele in Tibet vermuteten. Als solcher wollte Nikolaus 1928 in Lhasa einziehen. Und hier liegt, so Engelhardt, der Schlüssel zu der Statue. Sie stelle niemanden anderen als Roerich selbst dar, der eine Statue von sich als König von Shambhala nach Tibet bringen wollte. Vorführen konnte er sie dort nie. Die tibetische Regierung ließ die merkwürdige Gruppe nicht einmal einreisen. An der unwirtlichen Grenze Tibets erfror sie fast.

Die unüblichen Hosen, die Ärmel, der Helm, der Umhang, der doppelte Heiligenschein – die Statue und die Roerich-Skizzen weisen die gleichen Attribute auf.
Foto: Isrun Engelhardt, wikimedia

Vieles spricht für Engelhardts Theorie. Unter anderem konnte sie Skizzen und Gemälde Roerichs aufstöbern, die der Statue ähneln. Engelhardt vermutet, dass die Statue im mongolischen Ulan-Bator hergestellt wurde, unweit vom Fundort des Chinga-Meteoriten, bevor die Roerichs nach Tibet reisten. Um ein genaueres Herstellungsdatum zu erhalten, müsste die Oberfläche gründlich untersucht werden. Doch das geht nicht, denn die Besitzerin der Statue in Wien stellt sie nicht zur Verfügung, sagt Engelhardt. Und sie bräuchte Zugang zum Roerich-Archiv in Moskau. Doch auch das bleibt für westliche Forscher versperrt. Somit ist das Rätsel des "Buddhas aus dem All" zwar um eine vielversprechende Theorie reicher geworden, ist aber immer noch nicht endgültig gelöst. (Anna Sawerthal, 26.4.2018)