TTTech-Vorstand Georg Kopetz meint, dass sich Österreicher oft schlechter reden, als sie eigentlich sind, und dass Wien ein toller Standort für ein Technologieunternehmen ist.

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Selbstfahrende Autos – eine Utopie, die immer schneller zur Realitität zu werden scheint. Eine entscheidende Rolle in dieser Entwicklung spielen Georg Kopetz und seine Firma TTTech, die Software für autonomes Fahren entwickeln. Im Gespräch mit dem STANDARD erzählt er, warum er sich von Branchencowboys lieber fernhält und an den Standort Wien glaubt. Dem autonomen Fahren attestiert der Vorstand und Gründer von TTTech eine große Zukunft. Autoscheiben werden sich zu Displays verwandeln, eine Software wird bald weite Autobahnstrecken bewältigen können, und ein Pkw wird zum ultimativen mobilen Device.

Er blickt dem gesellschaftlichen Umbruch, der mit den neuen Technologien einhergehen wird, optmistisch entgegen. Die Menschheit habe bereits ganz anderes überstanden. Der Umstieg von der Pferdekutsche zum Auto sei sicher größer gewesen als jener vom Auto zum autonom fahrenden Auto. Überdies rät er Technologieunternehmen dazu Markttrends abzuwarten, anstatt zu versuchen eigene zu initiieren.

STANDARD: Sie entwickeln bei TTTech Software zum autonomen Fahren. Kürzlich gab es die ersten Verkehrstoten durch selbstfahrende Autos. Was heißt das für Sie?

Kopetz: Neue Technologien bieten zwar viele Chancen, man darf aber nichts überhasten. Wir stehen erst am Anfang dieser Entwicklung. Niemand darf erwarten, dass morgen Autos eigenständig herumfahren. Die zu frühe Verbreitung der Technologie ist kontraproduktiv, aber es sind viele Cowboys in diesem Markt unterwegs.

STANDARD: Was meinen Sie damit?

Kopetz: Viele Unternehmen haben die großen Marktchancen erkannt, die das autonome Fahren mit sich bringt, und wollen schnelle Erfolge erzielen. Diese metaphorischen Cowboys "reiten" schnell in den Markt rein, aber auch schnell wieder raus. Schnell geht hier allerdings gar nichts. Man muss systemisch und Schritt für Schritt an das Thema herangehen. TTTech wird jetzt wahrgenommen, es gibt uns aber seit 20 Jahren. Es braucht Zeit, um die entsprechenden Kompetenzen und das Knowhow aufzubauen. Zum tatsächlichen autonomen Fahren ist es noch ein weiter Weg.

Georg Kopetz (43) ist Vorstand und Mitgründer der Technologiefirma TTTech. Der ausgebildete Jurist lebt mit seiner Frau und vier Kindern in Wien.
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STANDARD: Wann erwarten Sie die ersten selbstfahrenden Autos?

Kopetz: Das kommt auf die Umgebung an. Auf Autobahnen gehe ich davon aus, dass wir in drei bis fünf Jahren die ersten massentauglichen teilautonomen Systeme erleben, die längere Strecken übernehmen. Im Stadtgebiet wird das noch deutlich länger dauern. In dieser hektischen Umgebung alle Gefahren abzuschätzen ist ziemlich kompliziert. Es passiert aber sehr viel in diese Richtung, moderne Assistenzsysteme sind aus Autos ja nicht mehr wegzudenken. In Premiumfahrzeugen unterstützen den Fahrer bereits bis zu 45 Anwendungen. Und das ist gut so, die Unfallzahlen gehen kontinuierlich zurück.

STANDARD: Wie werden sich autonome Autos auf Städte auswirken?

Kopetz: Die Sharing Economy und autonome Systeme werden zusammen eine entscheidende Rolle spielen. Ein Auto rufen und wieder wegschicken, wenn ich es nicht mehr brauche, das bietet großen Komfort. Außerdem stehen Autos viel herum und werden nicht gebraucht. In diesem Szenario bekommen die Menschen mehr Platz in den urbanen Zentren und Autos dementsprechend weniger. Wir entwickeln gerade einen autonomen Parkassistenten, das ist ein Anfang. Damit schicke ich mein Auto in die Parkgarage, und es parkt sich eigenständig ein und kommt auch wieder heraus, wenn ich es rufe. So erspare ich mir die mühsame Situation in Parkhäusern.

STANDARD: Welche gesellschaftlichen Auswirkungen erwarten Sie durch diese Entwicklung?

Kopetz: Klarerweise muss sich eine Gesellschaft mit derart grundlegenden Veränderungen intensiv auseinandersetzen. Aber die Menschheit hat ganz andere Umbrüche gemeistert. Der Umstieg von der Pferdekutsche zum Auto oder vom Zufußgehen zur Eisenbahn war sicher größer als jener vom Auto zum autonom fahrenden Auto.

STANDARD: Nicht jeder Konsument wird diesen Trend gutheißen.

Kopetz: Derartige Maschinen finden dann Akzeptanz, wenn der Mensch die Hoheit behält. Menschen müssen die Systeme beeinflussen können. Hat der Konsument das Gefühl, ein System wird über ihn drübergestülpt, verliert er die Akzeptanz.

STANDARD: Was darf man also von diesen Autos erwarten?

Kopetz: Ein Auto könnte mithilfe von Augmented Reality zum ultimativen mobilen Device werden. Scheiben werden zu Displays, und man kann Fußballspiele oder Serien streamen. Ich setze mich sozusagen in mein Smartphone und fahre los. Länger als fünf bis sieben Jahre werden wir darauf nicht mehr warten müssen.

STANDARD: Berufsfahrer blicken der Zukunft wohl weniger optimistisch entgegen?

Kopetz: Es wird weniger Berufsfahrer brauchen, jedoch das Qualifikationsprofil für Taxi- oder Lkw-Fahrer wird sich wohl ändern (müssen). Ein Fernfahrer wird eher zum Logistikmanager, ein Taxler könnte dem Kunden zusätzliche Services anbieten.

Samsung hat im Herbst ein 75 Millionen Euro-Investment in TTTech angekündigt. Georg Kopetz und Präsident und Chief Strategy Officer von Samsung Electronics präsentieren ihre "strategische Partnerschaft".
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STANDARD: Sie kooperieren unter anderem mit SAIC, dem größten Autobauer Chinas, darüber hinaus mit Samsung, dem VW-Konzern und Audi. Braucht es das, um als Europäer auf dem Markt mitzuhalten?

Kopetz: Wir glauben, auf lange Sicht bleiben nur wenige Plattformen für Software wie unsere über, deshalb ist es wichtig mit den Marktführern zu kooperieren. Nur wenn wir mit Marktführern zusammenarbeiten, haben wir die Chance etwas zu verändern. Zusehen und Nachhüpfen bringt nichts. Das Joint Venture mit SAIC bietet uns einen guten Zugang zum immer noch stark regulierten chinesischen Markt. Wir brauchen einen Partner, der die Hardware baut, wo unsere Software laufen kann. In diesem Fall kann SAIC seine lokalen Kompetenzen nutzen, und wir integrieren sozusagen das Betriebssystem.

STANDARD: Wie sieht eine derartige Zusammenarbeit aus?

Kopetz: Es ist ein Vorteil, dass wir kein Autohersteller sind, aber seit vielen Jahren eng mit ihnen zusammenarbeiten. So lässt sich das Verständnis beider Welten gut verbinden – unabhängig ob in Europa, Nordamerika oder Asien.

STANDARD: War Ihr globaler Zugang zum Geschäft immer gegeben?

Kopetz: Das musste er sein. Autobauer gibt es in Österreich bekanntlich keine. Natürlich müssen eine gewisse Reisebereitschaft und Weltoffenheit gegeben sein. Ich verbrachte meine Grundschulzeit in Westberlin, einer eingemauerten Stadt. Das hat mich als Mensch und in meinem Denken bestimmt auch in diese Richtung geprägt.

STANDARD: Stand es je zur Debatte, Wien zu verlassen?

Kopetz: Nein. Es ist in diesem Geschäft egal, wo man sitzt, man muss sich ohnehin global durchsetzen. Außerdem hat Wien als Stadt unglaublich viel zu bieten. Wenn Kunden zehn Stunden zu einem Termin anreisen und etwas sehen wollen, bietet Wien alles, was das Herz begehrt. Einen unmittelbaren Konkurrenten sehen wir hier auch nicht. Kleiner Nachteil: Diese Branche braucht die klügsten Köpfe als Mitarbeiter, und es stellt sich oftmals als schwierig heraus, diese zu finden.

"Die Menschen haben bereits größere Umbrüche als vom Auto zum autonom fahrenden Auto überstanden", sagt Georg Kopetz.
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STANDARD: Warum?

Kopetz: Um die Chancen der Digitalisierung zu nutzen, müssen Leute entsprechend ausgebildet werden. Da sind wir in Österreich zu defensiv. Auf der anderen Seite könnten sich Österreicher mehr zutrauen, als sie es im Endeffekt tun. Wir reden uns oft schlechter, als wir sind, die Universitäten verkaufen sich meiner Meinung nach auch unter ihrem Wert. Es gibt mehr Innovation in Österreich, als man glauben möchte. Skilifte sind ein gutes Beispiel dafür, Österreicher bauen die modernsten Lifte der Welt, und Skigebiete gibt es in auch in vielen anderen Ländern.

STANDARD: Rückblick auf die vergangenen 20 Jahre: Würden Sie etwas anders machen?

Kopetz: Ich sehe keinen Schnitzer, den ich gerne ungeschehen machen würde. Durch jeden Fehler lernt man – zum Beispiel das Zuhören. Immer alles durch die eigene Brille zu betrachten ist nicht zielführend. Es ist wichtig, andere zu Wort kommen zu lassen. Bemängelungen und Feedback von Kunden oder Mitarbeitern sind nicht zwangsweise Kritik an der eigenen Person. Es steckt vielleicht mehr dahinter. Anfangs agierten wir zu missionarisch.

STANDARD: Inwiefern?

Kopetz: "The trend is your friend." Technologiefirmen sollten auf Markttrends setzen und nicht versuchen, selbst welche zu initiieren. Die Erfolgschancen steigen dadurch beträchtlich. Wir hatten anfangs eine tolle Technologie und suchten einen Anwendungsfall. Gefunden haben wir ihn nicht. Als die Anwendungsfälle zu uns kamen, kam auch der Erfolg. Dennoch müssen wir aufpassen, nicht zu stark in Bereiche zu gleiten, wo wir uns nicht wohlfühlen. (Andreas Danzer, 22.4.2018)