Rund 100.000 Tonnen Plastik landen jährlich in den europäischen Meeren. Europa konsumiert rund ein Viertel des weltweiten Plastiks.

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Wien – Lange Schlangen haben sich vor jede der sechs Kassen gebildet. Auf das Förderband werden Wurtsemmeln, Gemüse, Käse und Aufstriche gelegt. Alle Produkte eingepackt in Plastik: Gemüsenetze, Joghurtbecher, Folien, Getränkeflaschen – die Variation ist groß und das Kaufritual ein ganz normales an diesem Donnerstagnachmittag im Interspar in Wien Mitte. Entweder noch auf dem Weg, in der Arbeit oder zu Hause ist das Produkt schnell ausgepackt und aufgebraucht, und die Verpackung wandert in den Mistkübel. Plastikmüll entsteht praktisch im Vorbeigehen, nur wohin damit?

Rund 900.000 Tonnen Plastikmüll fällt laut Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus jedes Jahr in Österreich an, ein großer Teil davon sind Verpackungen. Die Mengen sind in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen: Von rund 180.000 Tonnen Ende der 90er-Jahre auf heute knapp 300.000 Tonnen Verpackungsmüll. Das Problem ist längst kein rein österreichisches. Seit China Anfang März einen Importstopp auf nicht sortenreinen Kunststoff verhängte, muss sich die EU eine neue Strategie für den Umgang mit ihrem Plastik überlegen – bisher lieferten die EU und vor allem Deutschland große Mengen ins Reich der Mitte.

Im Rahmen des sogenannten Kreislaufwirtschaftspakets will die EU die Zielquote für das Recycling auf 55 Prozent bis zum Jahr 2025 und auf 65 Prozent bis 2035 erhöhen. Das hat unter vielen EU-Ländern bereits zu einem Aufstöhnen geführt: Denn derzeit würden nur zehn der 28 Länder die Quote erreichen, wie es in einer Analyse des Instituts der deutschen Wirtschaft heißt. An der Spitze steht demnach Deutschland, mit einer Recycling- Quote von 66 Prozent, Österreich ist mit einer Quote von 58 Prozent an zweiter Stelle. Allerdings ist Recycling nicht gleich Recycling: Geht es nur um die Sammlung, oder auch Wiederverwertung? Und was passiert am Ende mit den Stoffen?

Wo steht Österreich?

Mit seinen 58 Prozent rühmt sich Österreich gerne als Recyclingstar. Was auf die Gesamtrechnung zutrifft, gilt bei Plastik aber nur bedingt: Rund ein Drittel der Kunststoffabfälle wird wiederverwendet. Der Rest, "thermisch verwertet", was ein schönerer Ausdruck für "verbrannt" ist. Die EU setzt die Vorgabe fürs Recycling von Plastikverpackungen aber auf 50 Prozent bis 2025. Gezählt werden sollen nur jene Produkte, die auch tatsächlich als Rohstoffe verwendet werden, was die österreichischen Betriebe vor neue Herausforderungen stellt.

"Kunststoffe sind in unzähligen verschiedenen Sorten am Markt. Das erschwert das Recycling", sagt Werner Knausz, Vorstand der Altstoff Recycling Austria. Bei starker Vermischung zahle sich die Wiederverwertung nicht mehr aus. Beigemengte Stoffe, sogenannte Additive wie Weichmacher verteuern die Wiederverwertung.

Was tun mit dem Rest?

Übrig bleiben von den Plastikverpackungen nach Einschmelzung kleine Bausteine in allen erdenklichen Farben – sogenannte Regranulate. Diese werden bei Bedarf zu neuen Flaschen oder Folien verarbeitet. Was sich in der Theorie wie ein perfekter Kreislauf anhört, gestaltet sich in der Praxis oft schwierig: Da das Gemisch aus verschiedenen Kunststoffsorten besteht, kann die Verarbeitung schwieriger sein, oft muss für die richtigen Eigenschaften "frischer Kunststoff" zugeführt werden.

Außerdem ist Öl, das für die Herstellung von neuem Plastik verwendet wird, relativ billig, weshalb sich recycelter Kunststoff oft nicht rechnet. "In Österreich fehlen derzeit die Einsatzgebiete", meint Knausz. Eine weitere Gefahr: Muss durch die EU-Vorgabe mehr verwertet werden, könnte der Markt mit billigem recycelten Plastik überschwemmt werden.

Was wird nicht recycelt?

Längst nicht alle Plastikteile landen am Ende auch dort, wo sie wiederverwertet werden können. Sogenanntes Mikroplastik, Kunststoffteile, die kleiner als fünf Millimeter sind, kommen in Kosmetika oder Kleidung vor und können über Abwässer in den Weltmeeren "verschwinden".

Aber auch bei der Sortierung ergeben sich Probleme. "Immer wieder gelangen Plastiksackerln und Kunststoffteile im Biomüll", sagt Hans Roth, Präsident des Verbands Österreichischer Entsorgungsbetriebe (Voeb). Für die Kompostierbetriebe kann die Aussortierung einen bedeutenden Mehraufwand bedeuten. Die Sackerln seien oft nur schwer wieder herauszubekommen.

Eine aktuelle Studie aus Deutschland zeigt, wie viel Plastik so in der Umwelt landet: In einem Kilogramm Kompost fanden sich demnach 900 kleine Plastikteile.

Gibt es Alternativen?

Leicht lässt sich Plastik nicht ablösen, gerade weil der Stoff so praktisch ist. Alternativen gibt es trotzdem: In den Niederlanden versucht eine Supermarktkette, ohne Plastik auszukommen. Für die Verpackungen können beispielsweise Folien aus Milchproteinen zum Einsatz kommen, die luftundurchlässiger und strapazierfähiger als übliche Folien sind. In Graz arbeitet ein Unternehmen an Gemüsenetzen, die aus einem Garn aus Buchenholzfasern bestehen und kompostierbar sind. Statt normalen Papiers kommt in einigen Supermärkten Graspapier zum Einsatz, das weniger Wasser für die Herstellung benötigt.

Freilich gibt es auch Tücken: Kompostierbarer Kunststoff kann nur unter speziellen Bedingungen abgebaut werden. Auch Papiersackerls sind ökologisch nicht automatisch besser, vor allem dann nicht, wenn sie danach gleich wieder in den Müll wandern. (Jakob Pallinger, 21.4.2018)