Können an seinem Wesen die Grünen genesen? Georg Willi ist die neue Lichtgestalt der angezählten Partei.

Foto: Florian Lechner

Innsbruck – Neuer grüner Weg? Von wegen. Der Erfolg Georg Willis bei der Innsbrucker Gemeinderatswahl fußt weder auf neuen Inhalten noch auf einer parteiinternen Verjüngungskur. Willi ist ein Urgestein der Partei und seit Mitte der 1990er-Jahre Berufspolitiker. Thematisch setzt er auf Sozial- und Verkehrspolitik. Dass er damit für die Innsbrucker Grünen am Sonntag einen derartigen Kantersieg – fast ein Viertel der Stimmen für die Partei, knapp ein Drittel für ihn als Bürgermeisterkandidaten – einfahren konnte, liegt vor allem auch an der Gemengelage in der Tiroler Landeshauptstadt.

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Der Bürgerliche Willi genießt in Innsbruck große Bekanntheit. Sein gewinnendes Wesen sorgt dafür, dass fast jeder, der ihn kennt, den Kirchenchorsänger auch irgendwie sympathisch findet. Der ausgebildete Mediator kann gut zuhören, heißt es. Graumeliertes Haar, Jeans und Sakko – optisch verkörpert Willi genau die seriöse Lockerheit, auf die er als Politiker setzt.

Nette Schale, harter Kern

Dennoch sollte man ihn nicht unterschätzen. Niemand hält sich nur mit Nettigkeiten drei Jahrzehnte an der Spitze einer Partei. Als Willi in den 1990ern eine der treibenden Kräfte hinter der Wiedervereinigung der beiden damals zerstrittenen grünen Lager war, sei es hinter den Kulissen hart zur Sache gegangen. Und Willi setzte sich durch. Zuletzt bewies er dieses Durchsetzungsvermögen im Frühjahr 2017, als er in einer Kampfabstimmung zum Bürgermeisterkandidat gewählt wurde.

Willi, der die vergangenen Jahre als Nationalratsabgeordneter und grüner Verkehrssprecher in Wien zugebracht hatte, trat gegen die seit 2012 amtierende grüne Vizebürgermeisterin Sonja Pitscheider an. Parteiintern ließ das die Wogen hochgehen, und es bildete sich eine Front gegen ihn. Obwohl sämtliche Gemeinderatsmitglieder – bis auf einen, der zugleich als Willis Königsmacher gilt – gegen ihn stimmten, gewann er die Abstimmung mit fast drei Vierteln der Stimmen der Basis. Willi weiß eben, wie man Mehrheiten findet.

Parteiinterner Kampf um Innsbruck

Die Rechnung dafür wurde ihm von der geschassten Innsbrucker Führungsriege um Pitscheider vergangenen Herbst präsentiert. Sie sorgten für einen Eklat, indem sie versuchten, Willis einzigen Unterstützer im Gemeinderat aus der Partei zu werfen. Hinter den Kulissen dürften dabei auch politische Mitbewerber ihre Finger im Spiel gehabt haben, die schon damals wussten, dass ihnen Willi als Kandidat wesentlich gefährlicher werden würde als Pitscheider.

Doch Willi wehrte auch diesen Angriff ab. Nach außen lächelte er ihn weg, nach innen bestellte er die Konfliktparteien zum klärenden Gespräch an seinen Esstisch. Interne Streitereien pflegt der Hobbykoch nämlich bei einem gemeinsamen Essen zu schlichten. Das funktionierte auch diesmal. Der Gemeinderatsklub ließ von seinen Attacken ab, der hinauskomplimentierte Mandatar kehrte zwar nicht in den Schoss der Mutterpartei zurück, erklärte aber, nicht in einer Bürgermeisterwahl gegen Willi anzutreten.

Dolchstoß als Bumerang

Im Grunde hat Willi nicht für, sondern gegen die Grünen am Sonntag einen Wahlsieg eingefahren. Denn seine Partei ließ praktisch kaum etwas aus, das ihm schaden konnte – von den internen Querelen über die Wahlniederlagen am laufenden Band bis hin zum kuriosen versuchten Dolchstoß der abdankenden Pitscheider vergangene Woche. Zwei Tage vor der Wahl erklärte die Vizebürgermeisterin ihren Parteiaustritt, weil sie Willi rechtspopulistische Argumentation vorwarf. Auslöser dafür war eine Aussage von ihm im STANDARD-Interview, wonach den Wählern inhaltlich das Dach überm Kopf wichtiger sei als Themen wie Binnen-I oder Ehe für alle.

Für den Politologen Ferdinand Karlhofer von der Universität Innsbruck hatte diese Episode "kabaretthafte Züge". Welche Motive hinter dem Frontalangriff auf den Parteikollegen standen, mag er nicht beurteilen. Aber eines sei klar, so Karlhofer: "Sie dürfte ihm damit sogar unbeabsichtigt geholfen haben." Denn der Dolchstoß wurde zum Boomerang für Pitscheider. Während Willi die Aufregung wieder weglächelte und sich in nobler Zurückhaltung übte – er sei wohl falsch verstanden worden – sah sich Pitscheider mit massiver Kritik, auch und vor allem aus der Partei, konfrontiert.

Wie tief die Gräben sind, zeigte sich am Wahlabend. Nachdem Willis Triumpf amtlich war, ätzte etwa der Grüne Pressesprecher via Social Media in Richtung Pitscheider: "#dankesonja Ohne deine wahlkampfunterstützung wäre dieser Erfolg nicht möglich gewesen. #nurmitdir" Auf Seiten der Wähler haben nicht wenige Pitscheiders Abgang als Signal dafür verstanden, dass die Grünen unter Willi wieder wählbar sind.

Als Underdog in die Stichwahl

Für den Politologen Karlhofer hat der grüne Spitzenkandidat sein Potential aber großteils ausgeschöpft. In der Stichwahl gegen die regierende Bürgermeisterin Christine Oppitz-Plörer sei diese klare Favoritin. Denn sie kann nun versuchen, die Wähler der ÖVP und vor allem der FPÖ zu mobilisieren. Was Willi aber niemand mehr nehmen kann, sind die knapp 25 Prozent, die er mit den Grünen in Innsbruck eingefahren hat.

Darauf und auf den Erfolg bei der Tiroler Landtagswahl im Februar, wo die Grünen eine Neuauflage der Koalition mit der Volkspartei schafften, kann die angezählte Partei nun bauen, sagt Karlhofer: "Angesichts der Niederlagen im Bund und bei mehreren Landtagswahlen sind die beiden Erfolge in Tirol wie ein Leuchtturm." An Vorarlberg, wo die Grünen ebenfalls erfolgreich arbeiten, und Tirol könne die Partei sich nun wieder aufrichten.

Auch wenn Willi den Bürgermeister nicht schaffen sollte, so Karlhofer, sei der Achtungserfolg von Innsbruck nicht mehr wegzureden. Für die Bundespartei beginne nun ein Nachdenkprozess, glaubt der Politologe: "Wie kann man Wahlerfolge erzielen, ohne an rigorosen Positionen und Werthaltungen zu scheitern?" Der Westen habe es vorgemacht. Auch wenn Willis Erfolg in Innsbruck untrennbar mit seiner Person, dem konservativen Grünen von nebenan, zu tun habe. Im Osten seien die West-Grünen immer eher belächelt worden, sagt Karlhofer. Das dürfte sich nun geändert haben. (Steffen Arora, 23.4.2018)