Ein Bild aus besseren Tagen von Astrid Rössler, bisher Salzburgs Vize-Landeshauptfrau und Chefin der Grünen, an der Glan – am Sonntag halbierte sich ihre Landespartei.

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Eine rasante Fahrt mit der Achterbahn ist wohl nichts gegen die abenteuerlichen Ergebnisse, die dieser Wahlsonntag den Grünen bescherte: Zuerst rasselten sie in Salzburg von ihrem Rekordergebnis mit satten 20 Prozent von 2013 runter auf 9,3 Prozent. Gleich darauf stieg die Ökopartei in Innsbruck mit guten 24 Prozent zum Wahlsieger auf. Dazu schaffte es ihr Bürgermeisterkandidat Georg Willi mit 30,88 Prozent auch noch als Erster in die Bürgermeisterstichwahl, die Anfang Mai ansteht.

Der vergangene Wahlsonntag bringt für die Grünen gemischte Gefühle. Bei den Gemeinderatswahlen in Innsbruck schafft es ihr Spitzenkandidat in die Stichwahl, aber bei den Landtagswahlen in Salzburg müssen sie mit Verlusten kämpfen.
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Grüne Wahlergebnisse seit 2013 im Überblick – vor allem seit der Bundespräsidentenwahl geht es steil bergab und bergauf.

Fehlendes Gespür

Der Innsbrucker Politologe Ferdinand Karlhofer sagt: "Die Abwärtsspirale seit der Nationalratswahl hat offenbar keine Gesetzmäßigkeit." Die Lehre für die Grünen sei: "Die Partei muss wieder Gespür für Stimmungen entwickeln und anpassungsfähiger werden."

Der vom Wahlvolk verordnete Zickzackkurs beschäftigt die krisengeschüttelten Grünen noch länger: Am Montag trat in Salzburg ihr Landesvorstand zusammen, um über den angebotenen Rücktritt ihrer Chefin Astrid Rössler, bisher Vizelandeshauptfrau, zu beraten.

Aktionismus nicht ausgeschlossen

Wegen des Wahldebakels an der Salzach müssen aber auch die Bundesgrünen schwer schlucken: Denn mit den herben Verlusten ist nun auch ihr drittes verbliebenes Mandat im Bundesrat und damit Heidi Reiter aus Eugendorf futsch – und daher auch noch ihr Anfragerecht an Regierungsmitglieder, für die es in der Länderkammer stets drei Abgeordnete braucht.

Die beiden letzten verbliebenen Bundesräte, die Wienerin Ewa Dziedzic und der Oberösterreicher David Stögmüller, wollen sich aber keineswegs geschlagen geben. Mit der SPÖ habe es bereits Gespräche gegeben, erklärt Dziedzic, dass sie die Grünen da und dort mit einer dritten Unterschrift unterstützen, um weiterhin Minister löchern zu können: "Wir werden als Kontrollpartei weiterhin Druck machen", verspricht die Grüne. Aber auch: "Wir müssen unsere Antworten auf Probleme – auch in der Flüchtlingspolitik – pointierter formulieren, ohne jedoch dabei plump oder populistisch zu werden." Aktionismus freilich nicht ausgeschlossen.

Rote Schützenhilfe

Inge Posch-Gruska, seit Jänner SPÖ-Fraktionschefin im Bundesrat, bestätigt dem STANDARD, dass man den gebeutelten Grünen bei inhaltlicher Übereinstimmung aushelfen könne: "Nicht aus Jux und Tollerei, auch nicht um aus Prinzip etwas zu verhindern", sagt sie, "aber mit den Grünen kann man inhaltlich wirklich gut diskutieren und sich abstimmen – ich mag das."

Grün bleibt also die Hoffnung – und Karlhofer misst dem Wahlsieg in Innsbruck Bedeutung bei: "Es wäre ein fulminanter Erfolg, wenn die Grünen in einer Landeshauptstadt den Bürgermeister stellen." Von Willi könne sich die Mutterpartei den Pragmatismus abschauen, sagt der Experte: "Die politischen Rahmenbedingungen verändern sich laufend. Wer sich in scheinbar altbewährten Antworten verbohrt, den überfährt der Zug der Zeit."

Dass Salzburgs Grüne bei der Landtagswahl mehr als halbiert wurden, liegt laut Politikwissenschafter Reinhard Heinisch nicht nur an der Ausgangssituation: Nach dem Spekulationsskandal hatte die Landespartei ein Niveau, das kaum zu halten gewesen sei – und diesmal habe man nicht einmal die eigene potenzielle Wählerschaft mobilisieren können.

Kuschelkurs mit Haslauer

Heinisch nennt dafür mehrere Ursachen. Da sei der "Koalitionseffekt" – die Grünen wären Opfer des "Kuschelkurses" mit Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) geworden. So sei man etwa bei sozialen Themen recht still gewesen. Im Wahlkampf wäre es dann nicht gelungen, auf die eigenen Erfolge hinzuweisen. Der in Salzburg bis heute umstrittene "Luft-80er" auf der Stadtautobahn hätte stärker als gesundheitspolitische Maßnahme akzentuiert werden müssen. Dazu gab es eine "ungeschickte Wahlkampagne": Statt auf eigene Politik setzten die Grünen auf Imagewerbung – und einen fragwürdigen Slogan von Rössler, der lautete, sie sei "keine Politikerin".

Die Zeit für Veränderungen drängt. Am 5. Mai will die Bundespartei in der Linzer Tabakfabrik ihren Neustart mit 500 Interessierten angehen – denn schon in einem guten Jahr findet mit den EU-Wahlen der nächste bundesweite Urnengang statt.

Gegen das Establishment

Michel Reimon, einer von drei grünen EU-Mandataren, verspürt jetzt schon Druck: "Da gibt es für uns eine Auferstehung, oder wir haben langfristig ein tieferes Problem." Reimon glaubt, dass die Grünen Letzteres mit einem "scharfen Kurs gegen das Wirtschaftssystem" abwenden könnten. Denn er ist bis heute davon überzeugt: "Alle Versuche, zum Establishment zu gehören, sind für eine ökologische Bewegung grundsätzlich falsch." (Sebastian Fellner, Thomas Neuhold, Katharina Mittelstaedt, Nina Weißensteiner, 23.4.2018)