Der Karmelitermarkt ist einer von 26 Märkten in Wien.

Foto: Heribert Corn

Von links: Johanna Haidacher, Iris Feeback (Zimmer 37), Isabella Kaas (Kaas am Markt) und Markus Ornig (Neos) bei einer Pressekonferenz. Die Aufnahme wurde von den Neos zur Verfügung gestellt.

Foto: Neos Wien

Wien – Die Sonne knallt auf den Platz herunter. Jetzt, wo es wieder wärmer ist, wird auch dem Karmelitermarkt wieder Leben eingehaucht. Es ist halb elf am Vormittag, und ein paar Dutzend Grätzlbewohner des Karmeliterviertels im zweiten Wiener Gemeindebezirk haben sich auf ihrem Markt versammelt, um den ersten, zweiten oder dritten Kaffee des Tages zu schlürfen.

Es sind einige junge Mütter, die mit ihren Babys gekommen sind. Aber auch Studenten oder Freelancer nützen das schöne Wetter und arbeiten mit ihren Laptops draußen. Daneben gönnen sich ein paar ältere Männer das erste Mittagsbier. Ein paar wenige schlendern vereinzelt durch die engen Gassen des Marktes, um ihre Gemüse- oder Fleischration für den Tag zu besorgen.

Biogemüse mit Mittagstisch

Beim Stand des "Zimmer 37" stehen heute Minestrone mit Hirse und Pesto, Spinatstrudel und indisches Dal auf der Speisekarte. Drei runde Tische und eine Bank stehen vor dem kleinen Lokal. Drinnen werden Bioobst und Gemüse angeboten. Seit acht Jahren betreibt das Mutter-Tochter-Duo Johanna Haidacher und Iris Feeback den Stand am Karmelitermarkt. "Acht Jahre Kampf gegen Windmühlen", sagt Feeback resigniert.

Die beiden haben gerade zusammen mit einer benachbarten Standlerkollegin vor ihrem Lokal, das eigentlich keines sein darf, im Rahmen einer Pressekonferenz der Neos Wien den "Gebührenwahnsinn auf den Wiener Märkten" beklagt. Auf ein friktionsfreies Verhältnis zur zuständigen Magistratsabteilung können Haidacher und Feedback nicht unbedingt zurückblicken: Zweimal stand das Zimmer 37 bereits kurz vor der Auflösung. Geholfen hat einmal ein Einspruch, das zweite Mal der Wechsel der Geschäftsführerin – von Feeback zu Haidacher. Der Grund für die Verstimmung mit dem Marktamt lag in einer Auseinandersetzung über die Anzahl der Verabreichungsplätze.

Maximal ein Drittel für Gastronomie

Handelsstände dürfen nur acht Gäste bewirten. Will man mehr Gäste versorgen, muss man um eine Gastrolizenz ansuchen und sich dann auch um die Erfüllung der damit verbundenen Auflagen kümmern, wie etwa den Einbau einer Toilette. Hinzu kommt, dass nicht jeder Standler um eine Lizenz zum Bewirten ansuchen kann, wenn es schon genügend andere am selben Markt gibt, die eine solche besitzen. Maximal ein Drittel der Standflächen pro Markt darf von reinen Gastrobetrieben bewirtschaftet werden. Damit sollen der Marktcharakter und die Durchmischung erhalten bleiben – so der Hintergedanke der Stadt.

Die Regelung der acht Verabreichungsplätze für Marktstände trifft aber ohnehin nur auf bestehende Stände zu. Die zuständige Stadträtin Ulli Sima ordnete letztes Jahr das vorläufige Aus dieser "Nebenrechte"-Regelung auf den Wiener Märkten an. Man wollte eine "Notbremse ziehen", um den Lebensmittelhandel zu unterstützen, begründete Sima damals den Vorstoß. Es sollte aber nur eine temporäre Maßnahme bleiben, bis die Novelle der Marktordnung fertig ist. Diese soll noch vor dem Sommer präsentiert werden. Der grüne Koalitionspartner hat sich damals gegen diese Maßnahme ausgesprochen.

Auch Isabella Kaas kämpft mit der Behörde. Vom Zimmer 37 aus kann man zu ihrem Stand, dem "Kaas am Markt", hinüberwinken. Auch Kaas hat bereits einen Geschäftsführerwechsel hinter sich, nachdem ihr Stand kurz davor war, zusperren zu müssen. Auch hier ging es vordergründig um die Sitzplätze. Sie probiert es jetzt mit einer kreativen Lösung und hat einen benachbarten Stand mit Gastrolizenz aufgekauft. Die dort zugesprochenen 16 Bewirtungsplätze will sie zum Kaas am Markt "hinüberschieben." Mit acht Plätzen gehe sich ein wirtschaftliches Überleben nicht aus, sagt Kaas.

Schnitt ins eigene Fleisch

Okan Gülfirat führt einen Familienbetrieb. Eine Unmenge an eingelegtem Gemüse ist in seinem Geschäft nebeneinander drapiert. Zusätzlich gibt es noch Schafkäse, Börek und eine Vielzahl türkischer Lebensmittel in den Regalen. Vor der Tür stehen eine Handvoll kleiner Tische. Gülfirat hat den kleinen Feinkostladen an einem Eck des Karmelitermarkts von seiner Mutter übernommen, die ihn wiederum vom Opa erbte. Als eine große Gruppe neben seinem Laden vorbeigeht, räumt er rasch einen zusätzlichen Tisch raus, um sie bewirten zu können.

Seit 35 Jahren ist die Familie bereits am Markt vertreten. Mit den Plätzen habe es bis vor "ein, zwei Jahren" eigentlich nie Probleme gegeben, sagt Gülfirat. Erst seither kontrolliere das Amt strenger, sodass auch er immer wieder Probleme mit der Einhaltung der acht Sitzplätze bekommt.

Ähnliches weiß ein alteingesessener Fleischer zu berichten, der ebenfalls einen Stand am Markt führt, seinen Namen aber lieber nicht lesen möchte. Auch er hat ein paar Stühle draußen stehen, setzt aber ohnehin nicht in erster Linie auf Bewirtung. Der Zwist einiger Standler mit dem Amt hätte erst vor ein paar Jahren begonnen. Davor habe man alles nicht so eng gesehen. "Aber die Leute sind so neidig", sagt der Standler. "Irgendwer hat irgendwen beim Amt anzeigt", erzählt er, und seither werde streng kontrolliert. "Die Leute sind selber schuld."

Die Frage, wie öffentlicher Raum gestaltet wird

Das Interesse des Publikums habe sich über die Jahre geändert, meinen die Betreiberinnen des Zimmers 37: "Mein Interesse liegt auch beim Gemüse. Aber die Leute wollen heutzutage am Markt sitzen und entspannen", sagt Feeback. Auf diese Wünsche müsse man reagieren, wenn man wolle, dass ein Markt belebt sein soll: "Wenn etwas grau ist, nutzt es nichts, wenn ich hundertmal sage: Es ist gelb!" Die Frage, die man sich stellen müsse, sei, was ein Marktstand heutzutage leisten soll.

Das sieht auch Markus Ornig so. "Der Markt ist ein Lifestyle-Erlebnis geworden", sagt der Wirtschaftssprecher der Wiener Neos. Ornig beackert das Feld der Märkte schon lange, hat laut eigenen Angaben bereits mit über 60 Standbesitzern auf Wiener Märkten gesprochen. Er wünscht sich mehr Flexibilität im Umgang mit Öffnungszeiten und Sitzplatzangeboten und stößt damit auf offene Ohren bei einigen Standlbetreibern. Viele wollen ein solches Publikum ansprechen wie den großer Teil jener Leute, die auch an diesem Mittwochvormittag auf dem Karmelitermarkt unterwegs sind. Außerdem: Die Gebühren für die Standbetreiber seien zu hoch. Zusätzlich werde unnötig Geld abgeknöpft, etwa für Blumentröge, die von Standlern aufgestellt werden, prangert Ornig an.

Im zuständigen Stadtratsbüro bei Ulli Sima verweist man auf eine Aussendung des SPÖ-Gemeinderats Erich Valentin. Dieser kontert den Neos folgendermaßen: "Wer den öffentlichen Raum nützt, ob mit Verkaufsständen, Schanigärten oder auch Blumentrögen, muss dafür einen finanziellen Beitrag leisten. Was daran unredlich sein soll, ist mir schleierhaft." 239 Euro pro Monat kostet ein Gemüsestand auf dem Karmelitermarkt.

250 bis 350 Euro Tagesumsatz machen Haidacher und Feeback mit dem Zimmer 37 durchschnittlich laut eigenen Angaben. Am Samstag deutlich mehr als unter der Woche. Die Konkurrenz durch Supermärkte sei groß. Wachsen würde man schon gerne. Aber zum Gastrobetrieb werden wolle man nicht. (Vanessa Gaigg, 26.4.2018)