Wien – Thomas Bernhards Theatermacher reist bekanntlich durch diverse Gastwirtschaften im Hausruckviertel. Dort führt er als gestrenger Theaterprinzipal sein "Rad der Geschichte" auf. Doch er hat einen angelsächsischen Bruder im Geiste.

Der stammt von Ronald Harwood und hört auf die Bezeichnung "Sir". Als verdienter Schmierentragöde schlüpft "Sir" allabendlich in die zerschlissenen Kostüme von Lear oder Othello, um die vom Nazi-Bomben-"Blitz" geblendeten Engländer 1942 vom Kriegsalltag abzulenken.

Trailer zu "Der Garderober" in den Kammerspielen.
JosefstadtTheater

In den Wiener Kammerspielen hat jetzt Cesare Lievi Der Garderober inszeniert: etwas (zu) breit, im Rhythmus eines Trauermarsches. Harwoods Stück bezieht seinen Reiz aus der stillschweigenden Umkehrung der Hierarchie. Der "Garderober" Norman (Martin Zauner) ist seinem "Sir" in Aufopferung zugetan. Als Schluckspecht ist er aber auch der unscheinbarste Vogel im Käfig der vazierenden Truppe.

Am Schminktisch

Der Prinzipal (Michael König), vom Autor der britischen Bühnenlegende Donald Wolfit nachgebildet, baut zusehends ab. Man sieht König am Schminktisch sitzen und gewahrt die Todesangst in den Augen dieses Riesen. Zauner dominiert als Strippenzieher die Bühne von Maurizio Balò still.

Norman, der verhinderte Schauspieler, mixt seinen Charakter zu gleichen Teilen aus Ehrgeiz, Brandy und Subversion zusammen. Mit seines Meisters stillem Tod gerät er aus den Fugen. Nie haben Gift und Galle köstlicher gemundet als in Zauners Psychogramm. Das Ensemble rundherum punktet in der schönsten Hinterbühnenszene der Welt: Wenn "Lear" alias "Sir" vergisst, in dem nach ihm benannten Stück aufzutreten. (Ronald Pohl, 27.4.2018)