Linz – An sich eine luxuriöse Situation: Die drittgrößte Stadt des Landes, Linz, erfreut Einwohner wie Besucher seit fünf Jahren mit einem international renommierten Opernhaus. Das alte Brucknerhaus ist nicht mehr einsam, was für ein urbanes Angebot! Hinter der gleißenden Fassade rumort es allerdings. Das Brucknerhaus gilt – nicht erst seit der "Ära" von Hans-Joachim Frey – als Problemkind. Und seit die oberösterreichische Landesregierung Schulden-stopp samt zehnprozentiger Budgetkürzung beschlossen hat, ist auch die Opernstimmung getrübt.

Das Linzer Opernhaus hatte in den ersten fünf Jahren 1,26 Millionen Besucher. Die Politik jedoch kürzt Subventionen, es geht um Millionen.
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Intendant Hermann Schneider hat durch Verschiebung von Investitionen die Situation vorerst bewältigt; es gab Kürzungen von 2,4 Millionen Euro. "Ich bin angetreten, um das Niveau zu heben", so ein eher besorgter Schneider, der ja eine Erfolgsgeschichte übernommen hat: 1,26 Millionen Besucher gab es bisher im Musiktheater. Etwa 351.000 Zuschauer kamen pro Saison, "aktuell sind wir auch schon bei 300.000".

Ob das steigerbar sei? "Für die Politik ist immer Luft drin. Wenn wir 90 Prozent haben, will sie 100 Prozent. Die Befürchtung, es sei durch das Opernhaus ein Hype entstanden, der abebben würde, stimmt aber nicht. Das Projekt hat sich bewährt."

Nicht wirklich profitiert hat sich "Nachbar" Brucknerhaus, dessen "Schwierigkeiten vor Jahrzehnten begonnen hatten", vermutet Dietmar Kerschbaum, neuer künstlerischer Leiter. "Man hat – auch bei Anton Bruckner – einige Entwicklungen verpasst. Und durch die Oper ist auch das Alleinstellungsmerkmal weg." Kerschbaum sieht im Brucknerhaus "eine schöne Dame, die in die Jahre gekommen ist. Ich will sie aus dem Dornröschenschlaf holen."

Zu Bruckner pilgern

Dazu gehöre vordringlich das Aufwecken des Brucknerfests, das 1,1 Millionen Euro zur Verfügung hat, also 350.000 Euro mehr als bisher. "Ich habe mit den Leuten gesprochen: Es war nichts mehr spannend, die Auslastung war schon bei 40 Prozent. Es kann nur besser werden", so der Neue. Er will das Brucknerfest in Hinblick auf den 200. Geburtstag des Namensgebers (2024) neu ausrichten. "Linz soll eine Bruckner-Pilgerstätte werden."

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Der neue künstlerische Leiter des Brucknerhauses, Dieter Kerschbaum, will die "alte Dame aus dem Dornröschenschlaf holen".
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Hätte der Symphoniker Bruckner eine Oper geschrieben, wäre eine intensive Kooperation mit dem Musiktheater unvermeidbar. Wobei: Kerschbaum findet Zusammenarbeit auch so notwendig: "Ich glaube, man muss aufeinander Rücksicht nehmen. Wir arbeiten zwar in unterschiedlichen Bereichen, es wird aber für beide schwieriger. Das urbane Publikum wird nicht mehr. Folglich gab es natürlich schon Konkurrenzdenken, das ich nicht für sinnvoll halte. Wir sollten uns zusammensetzen, es geht da auch um das Thema Publikumsströme."

In seinem, also dem symphonischen Bereich, war es "halt so", meint Kerschbaum, "dass vergessen wurde, dass das Publikum älter wird. Es braucht eine Öffnung des Programms." Zentral ist auch die Rolle des Brucknerorchesters Linz, das in beiden Häusern mit ihrem neuen Chefdirigenten Markus Poschner eine zentrale Rolle ausfüllen soll.

"Da müssen wir einen Weg finden. Es geht ja nicht nur um Marketing und Ticketing, es geht auch um Programmatik. Das Orchester ist an das Opernhaus gebunden", es sei nicht leicht, Programme zu finden und mitunter auch ausreichend Proben stattfinden zu lassen. Bezüglich der Koordination sei man "aber auf einem guten Weg". Ein Mischabo beider Häuser "wäre ein Anfang", so der Brucknerhauschef. "Aber es muss von beiden Seiten gewollt sein. Was mich betrifft, sind die Türen jedenfalls offen", und sie scheinen auch vonseiten Schneiders nicht verriegelt. "Gemeinsame Abos sind möglich", so der Herr über Oper und Theater.

Oper verzichtet auf Konzerte

Dass sein Bereich "dem Brucknerhaus direkt etwas wegnimmt", glaubt er nicht. Kaum auszuschließen sei aber, dass das Kulturbudget der Besucher nicht mit dem vergrößerten Linzer Angebot mitgewachsen sei. Man ist nun bestrebt, Überschneidungen im Programm zu vermeiden: "Wir haben Konzerte im Opernhaus, die sind nun aber deutlich reduziert worden. Konzerte sollten primär im Brucknerhaus stattfinden."

Dass Tenor Jonas Kaufmann das Brucknerhaus beehrt, sei aber kein Problem. Solche Stars sind für Schneider, der gerade Brittens Tod in Venedig probt, keine Priorität. Teuere Engagement seien zwar nicht ausgeschlossen. Sie dürften aber auch von Gesprächen mit der Politik abhängen, die durch Sparfantasien indirekt Programme mitgestaltet. (Ljubisa Tosic, 28.4.2018)